Gottes guter Samen geht auf

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01/07/2011

   „Erziehe dein Kind angemessen für seinen Lebensweg; dann wird es auch im Alter nicht davon abweichen“ Sprüche 22,6.
   Im Jahr 1963 übte ich das Pfarramt in der alten Gemeinde Santa Isabel in SC aus. 13 Gemeinden gab es zu bedienen, in vier davon musste man reiten, weil kein fahrbarer Weg dorthin führte.
   An einem Sonntag, ganz früh, ritt ich nach Perdidas. Der schmale Weg war schlecht, ging bergauf und bergab, war ausgetreten und sumpfig. Nach zweieinhalb Stunden kam ich bei der Kirche an. Von 8 bis 9 Uhr hielt ich Konfirmandenunterricht, dann Besprechungen mit dem Vorstand und Mitgliedern. Von 10 bis 11 Uhr Gottesdienst. Dann Mittagessen bei einem Kolonisten und anschließend ging es nochmal zwei Stunden auf Pferdesrücken nach Bauerslinie, wo dieselbe Arbeit vom Morgen sich wiederholte. Es war schon dunkel als ich nach Hause kam.
   Gegen Mitternacht wurde ich durch Rufen vorm Pfarr- haus geweckt. Draußen saßen zwei junge Männer auf ihren Pferden, sie waren aus Perdidas, wo ich am Morgen gewesen war, und sagten: „Unsere Oma liegt im Sterben und möchte das Abendmahl“. „Warum habt ihr mich nicht am Morgen gerufen als ich ganz nahe bei euch vorbeigeritten bin?“ Sie schwiegen. „Morgen Vormittag komme ich zu eurer Oma“. Sie schwiegen. Als ich ihnen gute Nacht wünschte und das Fenster schließen wollte, sagte einer: „Aber Pfarrer, morgen früh kann es zu spät sein, die Oma sagte, wir sollten Sie bloß gleich mitbringen“.
   Müde und auch verärgert sagte ich entschieden: „Jetzt kann ich nicht, ich bin zu müde, ich komme morgen früh“. Daraufhin habe ich das Fenster geschlossen und mich hingelegt. Nach einer Weile hörte ich wie die beiden wegritten.
   Der Satz: „morgen früh kann es zu spät sein“, ließ mich nicht schlafen. Ich stand auf und sattelte mein ebenfalls müdes Pferd und ritt durch die Nacht. Langsam wurde ich ruhig und fing an zu überlegen, was ich der Oma sagen sollte. Es war noch dunkel als ich ankam. Eine unheim- liche Stille. In der Küche leuchtete eine kleine Öllampe. Ich trat ein und hörte, dass im Zimmer jemand betete. Als ich zur Tür kam, merkte ich, dass die Oma betete: es war ein „Sterbegebet“. Als sie Amen sagte, sagte ich auch Amen und trat ins Zimmer. Ihre Augen strahlten Frieden aus als sie mir anvertraute: „Mir war so Bange wie die Jungens ohne Sie kamen... Ich fragte mich immer wieder: wie trete ich vor Gott hin? Und dann geschah es ganz plötzlich, dassmeine Hände sich falteten und ich beten konnte. Jetzt ist die Angst weg“. „Oma, wo haben Sie dieses Gebet her?“ „Das ist lange her, vor 70 Jahren habe ich es im Konfirmandenunterricht bei Pfarrer Zluhan gelernt und hatte es ganz vergessen. Aber plötzlich war es wieder da und jetzt kann ich ruhig sterben“.
   Wir haben dann noch das Abendmahl miteinander gefeiert und zwei Tage späterhaben wir sie zum Friedhof getragen. Nach 70 Jahren hatein in der Kindheit gelerntes Gebet eine verhärtete Schale gesprengt.
   
P.S. 1 - Das auswendig gelernte Gebet
   Oh heiliger Herr, Gott und Vater! Dir befehle ich meinen Leib und meine Seele. Habe Acht auf mich, dass ich Dir ewig angehöre.
   Oh Jesus Cristus, mein Herr! Unter Deiner Gnade möchte ich leben und sterben. Hilf mir, dass ich hier in Frieden scheiden kann und ewig leben.
   Oh Gott Heiliger Geist, auf Deine Kraft und Deinen Beistand vertraue ich. Gib, dass ich bald im Himmel das sehe und empfange was ich glaube.
   Oh heiliger Dreieiniger Gott! Sei ewig hochgelobt und gib durch Deine Gnade, dass ich durch den Tod den Eingang zum ewigen und vollendeten Leben in ewiger Freude und Seligkeit finde. Amen.


P.S. 2 - Die Konfirmandenanstalt von Santa Isabel
   Von 1865 bis 1910 hatte die Baseler Mission aus der Schweiz, in Santa Isabel, eine Konfirmandenanstalt unterhalten. Sie nahm jährlich 40 Jungen und Mädels, im Alter von etwa 14/15 Jahren, aus dem Süden von Santa Catarina, im Internat der der Anstalt auf. Halbtags hatten sie Schule, wurden alphabetisiert und in die christliche Lehre eingeführt und halbtags arbeiteten sie in der Landwirtschaft der Anstalt um bei der Unterhaltung derselben mit zu helfen. Diese Konfirmandenanstalt wurde für viele zum Segen. In einem Jahr wurden die Zöglinge für das Leben vorbereitet, nicht nur im geistlichen Sinn, sondern auch im Haushalt und in der Landwirtschaft. Im Konfirmandenunterricht lernten sie den Kleinen Katechismus von Martin Luther auswendig und auch Gebete zu besonderen Stunden im Leben.
   Pharrer Christian Zluhan, bei dem die Sterbende, das obige Gebet gelernt hatte war, über 40 Jahre lang, Leiter dieser Anstalt. Im Jahre 1910 wurde sie geschlossen, weil in den kleinen Gemeinden Schulen eingerichtet wurden.

Pfarrer Nelso Weingärtner

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Martim Lutero
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