Taufe, Eucharistie und Amt

Taufe

I. Die Einsetzung der Taufe

1. Die christliche Taufe ist im Wirken Jesu von Nazaret, in seinem Tod und seiner Auferstehung verwurzelt. Sie ist Eingliederung in Christus, der der gekreuzigte und auferstandene Herr ist; sie ist Aufnahme in den Neuen Bund zwischen Gott und seinem Volk. Die Taufe ist eine Gabe Gottes und wird im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes vollzogen. Matthäus berichtet, daß der auferstandene Herr, als er seine Jünger in die Welt sandte, ihnen auftrug zu taufen (Mt 28,18- 20). Die universale Praxis der Taufe durch die apostolische Kirche wird von Anfang an in den Briefen des Neuen Testamentes, in der Apostelgeschichte und in den Schriften der Kirchenväter bezeugt. Die Kirchen führen heute diese Praxis weiter als einen Ritus der Hingabe an den Herrn, der seinem Volke seine Gnade verleiht.

II. Die Bedeutung der Taufe

2. Die Taufe ist das Zeichen neuen Lebens durch Jesus Christus. Sie vereint die Getauften mit Christus und mit seinem Volk. Die Schriften des Neuen Testamentes und die Liturgie der Kirche entfalten die Bedeutung der Taufe in verschiedenen Bildern, die den Reichtum Christi und die Gaben seines Heils zum Ausdruck bringen. Diese Bilder werden gelegentlich in Verbindung gebracht mit dem symbolischen Gebrauch von Wasser im Alten Testament. Taufe ist Teilhabe an Christi Tod und Auferstehung (Rِm 6,3-5; Kol 2,12); Reinwaschung von Sünde (1 Kor 6,11); eine neue Geburt (Joh 3,5); Erleuchtung durch Christus (Eph 5,14); Anziehen Christi (Gal 3,27); Erneuerung durch den Geist (Tit 3,5); die Erfahrung der Rettung aus dem Wasser (1 Petr 3,20-21); Exodus aus der Knechtschaft (1 Kor 10,1-2) und Befreiung zu einer neuen Menschheit, in der die trennenden Mauern der Geschlechter, der Rassen und des sozialen Standes überwunden werden (Gal 3,27-28; 1 Kor 12,13). Der Bilder sind viele, aber die Wirklichkeit ist nur eine.

A. Teilhabe an Tod und Auferstehung Christi

3. Taufe bedeutet Teilhabe an Leben, Tod und Auferstehung Jesu Christi. Jesus stieg in den Jordan hinab und wurde in Solidarität mit den Sündern getauft, um alle Gerechtigkeit zu erfüllen (Mt 3,15). Diese Taufe führte Jesus auf den Weg des leidenden Gottesknechtes durch sein Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung (Mk 10,38-40,45). Durch die Taufe werden Christen in den befreienden Tod Christi eingetaucht, wo ihre Sünden begraben werden, wo der alte Adam mit Christus gekreuzigt und die Macht der Sünde gebrochen wird. So sind die Getauften nicht länger Sklaven der Sünde, sondern Freie. Völlig einbezogen in den Tod Christi werden sie mit ihm begraben und werden hier und jetzt zu einem neuen Leben in der Macht der Auferstehung Jesu Christi auferweckt in der Gewißheit, daß auch sie schließlich mit ihm eins sein werden in einer Auferstehung wie der seinen (Rِm 6,3-11; Kol 2,13; 3,1; Eph 2,5-6).

B. Bekehrung, Vergebung, Waschung

4. Die Taufe, die Christen zu Teilhabern am Geheimnis von Christi Tod und Auferstehung macht, schließt Sündenbekenntnis und Bekehrung des Herzens in sich. Die von Johannes vollzogene Taufe war eine Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden (Mk 1,4). Das Neue Testament unterstreicht die ethischen Implikationen der Taufe, indem es sie als eine Ablution (Waschung) darstellt, bei der der Leib mit reinem Wasser gewaschen wird, als eine Reinigung des Herzens von allen Sünden und als einen Akt der Rechtfertigung (Hebr 10,22; 1 Petr 3,21; Apg 22,16; 1 Kor 6,11). Die Getauften werden so von Christus freigesprochen, reingewaschen und geheiligt und empfangen als Teil ihrer Tauferfahrung eine neue ethische Orientierung unter der Führung des Heiligen Geistes.

C. Die Gabe des Geistes

5. Der Heilige Geist ist am Werk im Leben der Menschen vor, bei und nach ihrer Taufe. Es ist derselbe Geist, der Jesus als den Sohn offenbarte (Mk 1,10-11) und zu Pfingsten die Jünger mit Kraft ausrüstete und sie vereinte (Apg 2). Gott verleiht allen Getauften die Salbung und Verheißung des Heiligen Geistes, kennzeichnet sie mit seinem Siegel und prägt in ihre Herzen das Angeld ihres Erbes als Söhne und Töchter Gottes ein. Der Heilige Geist stärkt das Leben des Glaubens in ihren Herzen bis zur endgültigen Erlösung, wenn ihnen diese vollkommen zuteil werden wird zum Lobe der Herrlichkeit Gottes (2 Kor 1,21-22; Eph 1,13-14).

D. Eingliederung in den Leib Christi

6. Vollzogen im Gehorsam gegenüber unserem Herrn, ist die Taufe ein Zeichen und Siegel unserer gemeinsamen Jüngerschaft. Durch ihre eigene Taufe werden Christen in die Gemeinschaft mit Christus, miteinander und mit der Kirche aller Zeiten und Orte geführt. Unsere gemeinsame Taufe, die uns mit Christus im Glauben vereint, ist so ein grundlegendes Band der Einheit (Eph 4,3-6). Wir sind ein Volk und berufen, einen Herrn an jedem Ort und auf der ganzen Welt zu bekennen und ihm zu dienen. Die Einheit mit Christus, an der wir durch die Taufe teilhaben, hat wichtige Folgen für die Einheit der Christen. . . . eine Taufe, ein Gott und Vater aller . . . (Eph 4,4-6). Wenn die Einheit der Taufe in einer, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche realisiert wird, kann ein echtes christliches Zeugnis abgelegt werden für die heilende und versöhnende Liebe Gottes. Daher ist unsere eine Taufe in Christus ein Ruf an die Kirchen, ihre Trennungen zu überwinden und ihre Gemeinschaft sichtbar zu manifestieren.

Kommentar:

Die Unfähigkeit der Kirchen, gegenseitig ihre verschiedenen Taufpraktiken als Teilhabe an der einen Taufe anzuerkennen, und ihre fortdauernde Trennung trotz gegenseitiger Anerkennung ihrer Taufe machen das gebrochene Zeugnis der Kirche tragisch sichtbar. Die Bereitschaft der Kirchen an manchen Orten und zu manchen Zeiten, es zuzulassen, daß Unterschiede des Geschlechtes, der Rasse oder des sozialen Status den Leib Christi spalten, hat außerdem die durch die Taufe gegebene wahre Einheit der christlichen Gemeinschaft (Gal 3,27-28) in Frage gestellt und ihr Zeugnis ernsthaft beeinträchtigt. Die Notwendigkeit, die in der Taufe begründete Einheit wiederzugewinnen, gehört zum Zentrum der ökumenischen Aufgabe und ist entscheidend für die Verwirklichung echter Partnerschaft innerhalb der christlichen Gemeinschaften.

E. Das Zeichen des Gottesreiches

7. Die Taufe führt die Wirklichkeit des neuen Lebens ein, das inmitten der heutigen Welt gegeben wird. Sie gewährt Teilhabe an der Gemeinschaft des Heiligen Geistes. Sie ist ein Zeichen des Reiches Gottes und des Lebens der zukünftigen Welt. Durch die Gaben von Glaube, Hoffnung und Liebe besitzt die Taufe eine Dynamik, die das gesamte Leben umfaßt, sich auf alle Völker erstreckt und den Tag vorwegnimmt, an dem jede Zunge bekennen wird, daß Jesus Christus der Herr ist zur Ehre Gottes, des Vaters.

III. Taufe und Glauben

8. Die Taufe ist zugleich Gottes Gabe und unsere menschliche Antwort auf diese Gabe. Sie ist ausgerichtet auf ein Wachsen in das Maß der Fülle Christi (Eph 4,13). Die Notwendigkeit des Glaubens für den Empfang des Heils, wie es in der Taufe verkörpert und dargestellt ist, wird von allen Kirchen anerkannt. Persönliche Verpflichtung ist notwendig für eine verantwortliche Gliedschaft am Leibe Christi.

9. Die Taufe ist nicht nur auf eine augenblickliche Erfahrung bezogen, sondern auf ein lebenslängliches Hineinwachsen in Christus. Die Getauften sind berufen, die Herrlichkeit des Herrn widerzuspiegeln, wenn sie durch die Kraft des Heiligen Geistes mit zunehmendem Glanz in sein Bild verwandelt werden (2 Kor 3,18). Das Leben der Christen ist unausweichlich ein Leben ständigen Ringens wie jedoch auch ständiger Erfahrung der Gnade. In dieser neuen Beziehung leben die Getauften um Christi willen, um seiner Kirche und um der Welt willen, die er liebt, während sie in Hoffnung warten auf die Offenbarung der neuen Schöpfung Gottes und auf die Zeit, wenn Gott alles in allem sein wird (Rِm 8,18-24; 1 Kor 15,22-28. 49-57).

10. Während sie im christlichen Glaubensleben wachsen, bezeugen die getauften Glaubenden, daß die Menschheit erneuert und befreit werden kann. Sie haben hier und jetzt eine gemeinsame Verantwortung, zusammen Zeugnis abzulegen vom Evangelium Christi, vom Befreier aller Menschen. Den Kontext dieses gemeinsamen Zeugnisses bilden die Kirche und die Welt. In einer Gemeinschaft des Zeugnisses und Dienstes erkennen Christen die volle Bedeutung der einen Taufe als der Gabe Gottes für sein ganzes Volk. Ebenso erkennen sie an, daß die Taufe, als eine Taufe in Christi Tod, ethische Folgen hat, die nicht nur nach persönlicher Heiligung rufen, sondern die Christen motivieren, sich um die Verwirklichung des Willens Gottes in allen Bereichen des Lebens zu bemühen (Rِm 8,9ff.; Gal 3,26-28; 1 Petr 2,21-4,6).

IV. Taufpraxis

A. Die Taufe von Glaubenden und die Taufe von Kindern (Säuglingen)

11. Die Möglichkeit, daß zur neutestamentlichen Zeit auch die Kindertaufe praktiziert worden ist, kann nicht ausgeschlossen werden. Die Taufe nach einem persönlichen Glaubensbekenntnis ist jedoch die in den neutestamentlichen Schriften am eindeutigsten belegte Praxis.

Im Laufe der Geschichte hat sich die Taufpraxis in verschiedenen Formen entwickelt. Einige Kirchen taufen Säuglinge, die von Eltern oder anderen Erziehungsberechtigten gebracht werden, die bereit sind, in und mit der Kirche ihre Kinder im christlichen Glauben zu erziehen. Andere Kirchen vollziehen ausschließlich die Taufe von Glaubenden, die in der Lage sind, ein persönliches Glaubensbekenntnis abzulegen. Einige dieser Kirchen befürworten die Darbringung und Segnung von Säuglingen oder Kindern in einem Gottesdienst, der normalerweise auch den Dank für das Geschenk des Kindes und auch die Verpflichtung der Mutter und des Vaters zu christlicher Elternschaft in sich schließt.

Alle Kirchen taufen Gläubige, die aus anderen Religionen oder aus dem Unglauben kommen und die den christlichen Glauben annehmen und an katechetischer Unterweisung teilnehmen.

12. Die Gläubigen wie auch die Säuglingstaufe findet in der Kirche als der Gemeinschaft des Glaubens statt. Wenn jemand, der für sich selbst antworten kann, getauft wird, bildet das persönliche Glaubensbekenntnis einen integralen Bestandteil des Taufgottesdienstes. Wenn ein Säugling getauft wird, wird die persönliche Antwort zu einem späteren Zeitpunkt gegeben werden. In beiden Fällen wird die getaufte Person im Verständnis des Glaubens wachsen müssen. Für diejenigen, die aufgrund ihres eigenen Glaubensbekenntnisses getauft werden, besteht die ständige Aufgabe, die persönliche Antwort im Glauben immer weiter zu vertiefen. Im Falle der Säuglingstaufe wird ein Bekenntnis zu einem späteren Zeitpunkt erwartet, und die christliche Erziehung ist auf das Ablegen eines solchen Bekenntnisses ausgerichtet. Jede Taufe gründet in und bezeugt Christi Treue bis zum Tod. Sie hat ihren Sitz im Leben und Glauben der Kirche und weist hin, durch das Zeugnis der ganzen Kirche, auf die Treue Gottes als dem Grund allen Lebens im Glauben. Bei jeder Taufe bekräftigt die ganze Gemeinde neu ihren Glauben an Gott und verpflichtet sich, für einen Geist des Zeugnisses und Dienstes zu sorgen. Die Taufe sollte daher immer im Rahmen der christlichen Gemeinschaft gefeiert und entfaltet werden.

Kommentar:

Wenn man die Begriffe Säuglingstaufe und Gläubigentaufe benutzt, muß man berücksichtigen, daß die eigentliche Unterscheidung zwischen denen liegt, die Menschen jeden Alters taufen, und denen, die nur diejenigen taufen, die ein persönliches Glaubensbekenntnis ablegen können. Der Unterschied zwischen Säuglings- und Gläubigentaufe wird weniger scharf, wenn man anerkennt, daß beide Formen der Taufe Gottes eigene Initiative in Christus verkörpern und eine Antwort des Glaubens, die innerhalb der Gemeinschaft der Glaubenden gegeben wird, zum Ausdruck bringen.

Die Praxis der Säuglingstaufe unterstreicht den korporativen Glauben und den Glauben, den das Kind mit seinen Eltern teilt. Das Kind wird in eine zerbrochene Welt geboren und hat an deren Zerbrochenheit teil. Durch die Taufe werden dem Kind Verheißung und Anspruch des Evangeliums zugesprochen. Der persönliche Glaube des Empfängers der Taufe und die beständige Teilnahme am Leben der Kirche sind wesentlich dafür, daß die Früchte der Taufe voll empfangen werden.

Die Praxis der Gläubigentaufe unterstreicht das ausdrückliche Bekenntnis des Menschen, der auf die Gnade Gottes in der Gemeinschaft des Glaubens und durch sie antwortet und der um Taufe nachsucht.

Beide Formen der Taufe erfordern eine ähnliche und verantwortliche Einstellung zur christlichen Unterweisung. Eine Wiederentdeckung der Tatsache, daß christliche Unterweisung ihrem Wesen nach nie abgeschlossen ist, kann die gemeinsame Anerkennung der verschiedenen Initiationsformen erleichtern.

In einigen Kirchen, die die Tradition der Kindertaufe und der Gläubigentaufe miteinander verbinden, haben sich zwei gleichberechtigte Alternativen für den Eintritt in die Kirche als möglich erwiesen: eine Struktur, bei der auf die Kindertaufe später das Glaubensbekenntnis folgt, und eine Struktur, bei der die Gläubigentaufe auf eine Darstellung und Segnung in der Kindheit folgt. Dieses Beispiel lädt andere Kirchen zur Entscheidung darüber ein, ob auch sie nicht in ihren wechselseitigen Beziehungen und in kirchlichen Unionsgesprächen gleichberechtigte Alternativen anerkennen könnten.

13. Die Taufe ist eine unwiederholbare Handlung. Jegliche Praxis, die als Wieder- Taufe ausgelegt werden könnte, muß vermieden werden.

Kommentar:

Kirchen, die auf einer bestimmten Form der Taufe bestanden haben oder die ernste Fragen hatten im Blick auf die Gültigkeit der Sakramente und Ämter anderer Kirchen, haben zeitweilig von denen, die aus anderen kirchlichen Traditionen kamen, verlangt, sich taufen zu lassen, bevor sie in die volle Mitgliedschaft (mit Abendmahlsberechtigung) aufgenommen wurden. Wenn die Kirchen zu einem volleren gegenseitigen Verständnis und zu einem gegenseitigen Aufnehmen kommen und in engere Beziehungen in Zeugnis und Dienst treten, werden sie sich jeglicher Praktiken enthalten wollen, die die sakramentale Integrität der anderen Kirchen in Frage stellen oder die die Unwiederholbarkeit des Taufsakramentes beeinträchtigen könnten.

B. Taufe — Salbung — Konfirmation

14. In Gottes Heilswerk ist das Ostergeheimnis von Christi Tod und Auferstehung untrennbar verbunden mit der Pfingstgabe des Heiligen Geistes. In ähnlicher Weise ist auch die Teilhabe an Christi Tod und Auferstehung untrennbar verbunden mit dem Empfang des Heiligen Geistes. Ihrer vollen Bedeutung nach bezeichnet und bewirkt die Taufe beides.

Christen haben eine unterschiedliche Auffassung davon, worin das Zeichen der Gabe des Geistes sich ausdrückt. Verschiedene Handlungen sind mit dem Geben des Geistes in Verbindung gebracht worden. Für einige ist es der Wasserritus selbst. Für andere ist es die Salbung mit Chrisma und/oder die Handauflegung, die von vielen Kirchen Konfirmation genannt wird. Für wieder andere sind es alle drei, da sie in dem ganzen Ritus den Geist wirken sehen. Alle stimmen darin überein, daß die christliche Taufe im Wasser und im Heiligen Geist geschieht.

Kommentar:

a) Innerhalb einiger Traditionen wird dargelegt, daß, wie die Taufe uns dem gekreuzigten, begrabenen und auferstandenen Christus gleichgestaltet, Christen durch die Salbung die Gabe des Pfingstgeistes vom gesalbten Sohn empfangen.

b) Wenn die Taufe, als Einverleibung in den Leib Christi, von ihrem innersten Wesen her auf die eucharistische Teilhabe an Leib und Blut Christi hinweist, dann stellt sich die Frage, wie ein weiterer und besonderer Ritus zwischen Taufe und Zulassung zum Abendmahl eingeschoben werden kann. Diejenigen Kirchen, die Kinder taufen, ihnen aber die Teilhabe an der Eucharistie vor einem solchen Ritus verweigern, werden vielleicht darüber nachdenken wollen, ob sie die Konsequenzen der Taufe voll anerkannt und akzeptiert haben.

c) Die Taufe muß ständig wieder bekräftigt werden. Und die offenkundigste Form einer solchen erneuten Bestätigung ist die Feier der Eucharistie. Die Erneuerung des Taufgelübdes könnte auch z. B. während der jährlichen Feier des Ostergeheimnisses oder während der Taufe anderer stattfinden.

C. Auf dem Weg zur gegenseitigen Anerkennung der Taufe

15. Kirchen erkennen zunehmend die Taufe anderer Kirchen als die eine Taufe in Christus an, wenn vom Taufkandidaten Jesus als der Herr bekannt worden ist oder, im Falle der Säuglingstaufe, wenn das Bekenntnis von der Kirche (Eltern, Erziehungsberechtigten, Paten und Gemeinde) abgelegt und später durch persönlichen Glauben und persönliches Engagement bekräftigt wurde. Gegenseitige Anerkennung der Taufe wird als ein bedeutsames Zeichen und Mittel angesehen, die in Christus gegebene Einheit in der Taufe zum Ausdruck zu bringen. Wo immer möglich, sollten die Kirchen die gegenseitige Anerkennung ausdrücklich erklären.

16. Um ihre Unterschiede zu überwinden, sollten Anhänger der Gläubigentaufe und diejenigen, die die Kindertaufe üben, bestimmte Aspekte ihrer Praxis neu überdenken. Erstere könnten sich darum bemühen, die Tatsache sichtbarer zum Ausdruck zu bringen, daß Kinder unter den Schutz der Gnade Gottes gestellt sind. Letztere müßten sich gegenüber der Praxis einer offensichtlich unterschiedslosen Taufe schützen und ihre Verantwortung ernster nehmen, getaufte Kinder zu einer bewußten Verpflichtung Christus gegenüber hinzuführen.

V. Die Feier der Taufe

17. Die Taufe wird mit Wasser im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes vollzogen.

18. In der Feier der Taufe sollte die symbolische Dimension des Wassers ernst- genommen und nicht heruntergespielt werden. Der Akt des Untertauchens kann die Realität lebendig zum Ausdruck bringen, daß in der Taufe der Christ am Tode, am Begräbnis und an der Auferstehung Christi teilhat.

Kommentar:

Für einige theologische Traditionen bezeichnet der Gebrauch von Wasser, zusammen mit all seinen positiven Assoziationen mit Leben und Segen, die Kontinuität zwischen der alten und der neuen Schöpfung und enthüllt somit die Bedeutung der Taufe nicht nur für die Menschen, sondern auch für den gesamten Kosmos. Zugleich stellt der Gebrauch von Wasser eine Reinigung der Schöpfung dar, ein Sterben gegenüber dem, was in der Welt negativ und zerstörerisch ist. Die in den Leib Christi hineingetauft sind, sind zu Teilhabern an einer erneuerten Existenz gemacht worden.

19. Wie es in den frühen Jahrhunderten der Fall war, kann die Gabe des Geistes in der Taufe auf zusätzliche Weise bezeichnet werden, z. B. durch das Zeichen der Handauflegung, durch Salbung oder Ölung. Auch das Zeichen des Kreuzes erinnert an die verheißene Gabe des Heiligen Geistes, der Angeld und Unterpfand des Kommenden ist, wenn Gott diejenigen völlig erlöst hat, die er zu seinem Eigentum gemacht hat (Eph 1,13-14). Die Wiederentdeckung solcher lebendiger Zeichen könnte sicherlich die Liturgie bereichern.

20. In jeder umfassenden Taufliturgie sollten zumindest folgende Elemente enthalten sein: die Verkündigung der Heiligen Schrift, die sich auf die Taufe bezieht; Anrufung des Heiligen Geistes; Absage an das Bِse; Bekenntnis des Glaubens an Christus und die Heilige Dreieinigkeit; Verwendung von Wasser; eine Erklärung, daß die Getauften eine neue Identität als Kinder Gottes und als Glieder der Kirche empfangen haben, dazu berufen sind, Zeugen des Evangeliums zu sein. Manche Kirchen sind der Auffassung, daß die christliche Initiation unvollständig ist ohne die Versiegelung der Getauften mit der Gabe des Heiligen Geistes und die Teilnahme am heiligen Abendmahl.

21. Es ist angemessen, im Rahmen des Taufgottesdienstes die Bedeutung der Taufe zu erläutern, wie sie sich aus der Schrift ergibt (d. h. Teilhabe an Tod und Auferstehung Christi, Bekehrung, Vergebung und Reinigung, Gabe des Geistes, Einverleibung in den Leib Christi und Zeichen des Reiches Gottes).

Kommentar:

Die neuere Diskussion zeigt, daß man den Mißverständnissen mehr Aufmerksamkeit schenken muß, die aus dem sozio-kulturellen Kontext erwachsen, in dem die Taufe vollzogen wird:

a) In einigen Teilen der Welt hat die Namengebung in der Taufliturgie zu einer Verwechselung zwischen Taufe und Gebräuchen in Verbindung mit der Namengebung geführt. Diese Verwechslung erweist sich in überwiegend nicht-christlichen Kulturen als besonders schwerwiegend, wenn von den Getauften verlangt wird, christliche Namen anzunehmen, die nicht in ihrer kulturellen Tradition verwurzelt sind. Bei der Erarbeitung von Taufordnungen sollten die Kirchen darauf achten, daß der Nachdruck auf der wahren christlichen Bedeutung der Taufe bleibt und jede unnötige Entfremdung der Getauften von ihrer eigenen örtlichen Kultur durch das Auferlegen fremder Namen vermieden wird. Ein Vorname, der der eigenen ursprünglichen Kultur entnommen ist, verwurzelt den Getauften in dieser Kultur und manifestiert gleichzeitig die Universalität der Taufe, die Einverleibung in die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, die sich über alle Nationen der Erde erstreckt.

b) In vielen großen europäischen und amerikanischen Mehrheitskirchen wird die Kindertaufe häufig in einer offensichtlich unterschiedslosen Weise praktiziert. Dies trägt dazu bei, daß Kirchen, die die Gläubigentaufe praktizieren, zِgern, die Gültigkeit der Kindertaufe anzuerkennen. Diese Tatsache sollte innerhalb solcher Mehrheitskirchen zu einer vertieften kritischen Reflexion über die Bedeutung der Taufe führen.

c) Einige afrikanische Kirchen üben die Taufe des Heiligen Geistes durch Handauflegung und ohne die Verwendung von Wasser. Sie anerkennen aber die Taufe anderer Kirchen. Eine Studie über diese Praxis und deren Verhältnis zur Wassertaufe ist unbedingt notwendig.

22. Die Taufe wird normalerweise von einem ordinierten Amtsträger vorgenommen, wenngleich unter bestimmten Umständen auch andere taufen können.

23. Da die Taufe zutiefst verbunden ist mit dem gemeinschaftlichen Leben und dem Gottesdienst der Kirche, sollte sie normalerweise während eines öffentlichen Gottesdienstes vollzogen werden, so daß die Glieder der Gemeinde an ihre eigene Taufe erinnert werden und diejenigen in ihre Gemeinschaft aufnehmen, die getauft werden und zu deren Unterweisung im christlichen Glauben sie verpflichtet sind. Große Festtage wie Ostern, Pfingsten und Epiphanias sind für dieses Sakrament besonders angemessen, wie dies auch die Praxis der Alten Kirche war.

 

Eucharistie

I. Die Einsetzung der Eucharistie

1. Die Kirche empfängt die Eucharistie als eine Gabe vom Herrn. Paulus schreibt: Denn ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe: Der Herr Jesus, in der Nacht, als er verraten wurde, nahm er das Brot, dankte und brach's und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; dies tut zu meinem Gedächtnis (anamnesis). Ebenso nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut; dies tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis (1 Kor 11,23-25; vgl. Mt 26,26-29; Mk 14,22-25; Lk 22,14-20).

Die Mahlzeiten, von denen berichtet wird, daß Jesus an ihnen während seiner irdischen Wirksamkeit teilgenommen hat, verkündigen und stellen die Nähe des Gottesreiches dar, für das die Speisungen der Menge ein Zeichen sind. Bei seinem letzten Mahl war die Gemeinschaft des Gottesreiches verbunden mit dem Ausblick auf Jesu zukünftiges Leiden. Nach seiner Auferstehung ließ der Herr seine Jünger im Brechen des Brotes seine Gegenwart erkennen. Die Eucharistie führt somit diese Mahlzeiten Jesu während seines irdischen Lebens und nach seiner Auferstehung weiter, und dies immer als Zeichen des Gottesreiches. Die Christen sehen die Eucharistie vorweggenommen im Passahfest zur Erinnerung an die Befreiung Israels aus dem Land der Knechtschaft und in dem Mahl des Bundes auf dem Berg Sinai (Ex 24). Sie ist das neue Passahmahl der Kirche, das Mahl des Neuen Bundes, das Christus seinen Jüngern gab zum Gedächtnis (anamnesis) seines Todes und seiner Auferstehung, als Vorwegnahme des Hochzeitsmahls des Lammes (Apk 19,9). Christus gebot so seinen Jüngern, als dem fortdauernden Volk Gottes, bis zu seiner Wiederkehr sich seiner zu erinnern und ihm in diesem sakramentalen Mahl zu begegnen. Das von Jesus gefeierte letzte Mahl war ein liturgisches Mahl mit symbolischen Worten und Handlungen. Von daher ist die Eucharistie ein sakramentales Mahl, das uns durch sichtbare Zeichen Gottes Liebe in Jesus Christus vermittelt, die Liebe, mit der Jesus die Seinen bis zur Vollendung (Joh 13,1) liebte. Viele Namen werden für sie gebraucht: z. B. Herren- bzw. Abendmahl, Brechen des Brotes, heilige Kommunion, göttliche Liturgie, Messe. Ihre Feier bleibt der zentrale Akt des Gottesdienstes der Kirche.

II. Die Bedeutung der Eucharistie

2. Die Eucharistie ist vor allem das Sakrament der Gabe, die Gott uns in Christus durch die Kraft des Heiligen Geistes schenkt. Jeder Christ empfängt diese Gabe des Heils durch die Gemeinschaft am Leib und Blut Christi. Im eucharistischen Mahl, im Essen und Trinken des Brotes und Weines, gewährt Christus Gemeinschaft mit sich selbst. Gott selbst handelt, indem er dem Leib Christi Leben schenkt und jedes Glied erneuert. Gemäß Christi Verheißung empfängt jedes getaufte Glied des Leibes Christi in der Eucharistie die Zusage der Vergebung der Sünden (Mt 26,28) und das Unterpfand des ewigen Lebens (Joh 6,51-58). Obwohl die Eucharistie wesentlich eine einzige in sich geschlossene Handlung ist, soll sie hier unter folgenden Aspekten behandelt werden: Danksagung an den Vater, Gedächtnis Christi, Anrufung des Heiligen Geistes, Gemeinschaft (Communio) der Gläubigen, Mahl des Gottesreiches.

A. Die Eucharistie als Danksagung an den Vater

3. Die Eucharistie, die immer beides, Wort und Sakrament, einschließt, ist Verkündigung und Feier der Taten Gottes. Sie ist die große Danksagung an den Vater für alles, was er in Schöpfung, Erlösung und Heiligung vollbracht hat, für alles, was er heute in der Kirche und in der Welt trotz der Sünden der Menschen vollbringt, für alles, was er vollbringen wird, wenn er sein Reich zur Vollendung bringt. So ist die Eucharistie der Lobpreis (berakah), durch den die Kirche ihre Dankbarkeit gegen- über Gott für alle seine Wohltaten zum Ausdruck bringt.

4. Die Eucharistie ist das große Lobopfer, durch das die Kirche für die ganze Schöpfung spricht. Denn die Welt, die Gott mit sich versöhnt hat, ist in jeder Eucharistie gegenwärtig: in Brot und Wein, in den Personen der Gläubigen und in den Gebeten, die sie für sich und für alle Menschen darbringen. Christus vereint die Gläubigen mit sich und schließt ihre Gebete in seine eigene Fürsprache ein, so daß die Gläubigen verwandelt und ihre Gebete angenommen werden. Dieses Lobopfer ist nur möglich durch Christus, mit ihm und in ihm. Brot und Wein, Früchte der Erde und menschlicher Arbeit, werden dem Vater im Glauben und in Danksagung dargebracht. So bezeichnet die Eucharistie, was die Welt werden soll: Gabe und Lobpreis für den Schöpfer, eine universale Gemeinschaft im Leibe Christi, ein Reich der Gerechtigkeit, Liebe und des Friedens im Heiligen Geist.

B. Die Eucharistie als Anamnese oder Gedächtnis (Memorial) Christi

5. Die Eucharistie ist das Gedächtnis (Memorial) des gekreuzigten und auferstandenen Christus, d. h. das lebendige und wirksame Zeichen seines Opfers, das ein für allemal am Kreuz vollbracht wurde und das weiterhin für alle Menschheit wirksam ist. Der biblische Gedanke des Gedächtnisses, angewandt auf die Eucharistie, bezieht sich auf diese gegenwärtige Wirksamkeit des Werkes Gottes, wenn es von seinem Volk in einer Liturgie gefeiert wird.

6. Christus selbst ist mit allem, was er für uns und für die gesamte Schöpfung vollbracht hat (in seiner Menschwerdung, seiner Erniedrigung, seinem Dienst, seiner Unterweisung, seinem Leiden, seinem Opfer, seiner Auferstehung und Himmelfahrt und indem er den Geist sandte), in dieser Anamnese gegenwärtig und schenkt uns Gemeinschaft mit sich. Die Eucharistie ist auch der Vorgeschmack seiner Parusie und des vollendeten Gottesreiches.

7. Die Anamnese, in der Christus durch die freudige Feier seiner Kirche handelt, ist somit Vergegenwärtigung wie Vorwegnahme. Sie will nicht nur das, was vergangen ist, und dessen Bedeutung, ins Gedächtnis rufen. Sie ist die wirksame Verkündigung der Kirche von Gottes großen Taten und Verheißungen.

8. Vergegenwärtigung und Vorwegnahme kommen in Danksagung und Fürbitte zum Ausdruck. Indem sie dankbar Gottes große Taten der Erlösung in Erinnerung ruft, bittet die Kirche ihn, die Früchte dieser Taten jedem Menschen zu schenken. In Danksagung und Fürbitte ist die Kirche mit dem Sohn, ihrem großen Hohenpriester und Fürsprecher, vereinigt (Rِm 8,34; Hebr 7,25). Die Eucharistie ist das Sakrament des einzigartigen Opfers Christi, der ewig lebt, um Fürsprache für uns einzulegen. Sie ist das Gedächtnis all dessen, was Gott für das Heil der Welt getan hat. Was nach Gottes Willen in der Menschwerdung, in Leben, Tod, Auferstehung und Himmel- fahrt Christi vollbracht wurde, wiederholt er nicht. Diese Ereignisse sind einmalig und können weder wiederholt noch zeitlich ausgedehnt werden. In dem Gedächtnis der Eucharistie jedoch bringt die Kirche ihre Fürbitte in Gemeinschaft mit Christus, unserem großen Hohenpriester, dar.

Kommentar:

Im Licht der Bedeutung der Eucharistie als Fürbitte können vielleicht die Verweise auf die Eucharistie als Sühnopfer in der katholischen Theologie verstanden werden. Damit ist gemeint, daß es nur eine Sühne gibt, das einmalige Opfer am Kreuz, das in der Eucharistie vergegenwärtigt und in der Fürbitte Christi und der Kirche für die ganze Menschheit vor den Vater gebracht wird. Im Licht der biblischen Vorstellung des Gedächtnisses (Memorial) könnten alle Kirchen die historischen Kontroversen über das Opfer neu überdenken und ihr Verständnis der Gründe vertiefen, warum die jeweils anderen christlichen Traditionen diesen Begriff entweder verwendet oder abgelehnt haben.

9. Die Anamnese Christi ist die Grundlage und Quelle allen christlichen Gebets. So verläßt sich unser Gebet auf die unaufhörliche Fürbitte des auferstandenen Herrn und ist mit ihr verbunden. In der Eucharistie schenkt uns Christus die Kraft, mit ihm zu leben, mit ihm zu leiden und durch ihn zu beten als gerechtfertigte Sünder, die freudig und bereitwillig seinen Willen erfüllen.

10. In Christus bringen wir uns selbst dar als ein lebendiges und heiliges Opfer in unserem täglichen Leben (Rِm 12,1; 1 Petr 2,5); dieser geistliche Gottesdienst, der Gott gefällt, wird in der Eucharistie genährt, in der wir in Liebe geheiligt und versöhnt werden, um Diener der Versöhnung in der Welt zu sein.

11. Vereint mit unserem Herrn und in Gemeinschaft mit allen Heiligen und Märtyrern werden wir in dem Bund erneuert, der durch das Blut Christi besiegelt worden ist.

12. Da die Anamnese Christi den zentralen Inhalt des gepredigten Wortes wie des eucharistischen Mahles ausmacht, stärkt eines das andere. Es gehört zur Feier der Eucharistie, daß sie die Wortverkündigung einschließt.

13. Die Worte und Handlungen Christi bei der Einsetzung der Eucharistie stehen im Mittelpunkt der Feier; das eucharistische Mahl ist das Sakrament des Leibes und Blutes Christi, das Sakrament seiner wirklichen Gegenwart (Realpräsenz). Christus erfüllt sein Versprechen, bis zum Ende der Welt immer bei den Seinen zu sein, in vielfältiger Weise. Doch die Art der Gegenwart Christi in der Eucharistie ist einzigartig. Jesus sagte über dem Brot und dem Wein der Eucharistie: Dies ist mein Leib . . . dies ist mein Blut. Was Christus sprach, ist wahr, und diese Wahrheit wird jedesmal erfüllt, wenn die Eucharistie gefeiert wird. Die Kirche bekennt Christi reale, lebendige und handelnde Gegenwart in der Eucharistie. Obwohl Christi wirkliche Gegenwart in der Eucharistie nicht vom Glauben der einzelnen abhängt, stimmen jedoch alle darin überein, daß Glaube erforderlich ist, um Leib und Blut Christi unterscheiden zu können.

Kommentar:

Viele Kirchen glauben, daß durch diese Worte Jesu und durch die Kraft des Heiligen Geistes Brot und Wein der Eucharistie in einer wirklichen, wenngleich geheimnisvollen Weise der Leib und das Blut des auferstandenen Christus werden, d. h. des lebendigen Christus, der in seiner ganzen Fülle gegenwärtig ist. Unter den Zeichen von Brot und Wein ist die tiefste Wirklichkeit das ganze Sein Christi, der zu uns kommt, um uns zu speisen und unser gesamtes Sein zu verwandeln. Einige andere Kirchen bejahen zwar eine wirkliche Gegenwart Christi bei der Eucharistie, doch sie verbinden diese Gegenwart nicht so bestimmt mit den Zeichen von Brot und Wein. Den Kirchen ist die Entscheidung überlassen, ob dieser Unterschied innerhalb der im Text selbst formulierten Konvergenz Raum finden kann.

C. Die Eucharistie als Anrufung des Geistes

14. Der Heilige Geist macht im eucharistischen Mahl den gekreuzigten und auferstandenen Christus für uns wahrhaftig gegenwärtig, indem er die Verheißung der Einsetzungsworte erfüllt. Die Gegenwart Christi ist eindeutig das Zentrum der Eucharistie, und die in den Einsetzungsworten enthaltene Verheißung ist daher grundlegend für die Feier. Es ist jedoch der Vater, der der primäre Ursprung und die letztliche Erfüllung des eucharistischen Geschehens ist. Der menschgewordene Sohn Gottes, durch den und in dem es vollbracht wird, ist dessen lebendiges Zentrum. Der Heilige Geist ist die unermeßliche Kraft der Liebe, die dieses Geschehen ermöglicht und es weiterhin wirksam macht. Das Band zwischen der eucharistischen Feier und dem Geheimnis des dreieinigen Gottes enthüllt die Rolle des Heiligen Geistes als die des Einen, der die historischen Worte Jesu gegenwärtig und lebendig werden läßt. Indem die Kirche durch Jesu Verheißung in den Einsetzungsworten dessen versichert wird, daß sie erhört werden wird, bittet die Kirche den Vater um die Gabe des Heiligen Geistes, damit das eucharistische Geschehen Wirklichkeit werden möge: die wirkliche Gegenwart (Realpräsenz) des gekreuzigten und auferstandenen Christus, der sein Leben für die ganze Menschheit gibt.

Kommentar:

Damit soll nicht die eucharistische Gegenwart Christi spiritualisiert, sondern die unauflösbare Einheit zwischen dem Sohn und dem Geist bekräftigt werden. Diese Einheit macht deutlich, daß die Eucharistie nicht eine magische, mechanische Handlung ist, sondern ein an den Vater gerichtetes Gebet, das die völlige Abhängigkeit der Kirche von ihm betont. Es besteht eine wesenhafte Verbindung zwischen den Einsetzungsworten, der Verheißung Christi, und der Epiklese, der Anrufung des Heiligen Geistes, in der Liturgie. Die Epiklese steht in bezug auf die Einsetzungsworte in den verschiedenen liturgischen Traditionen an unterschiedlicher Stelle. In den ältesten Liturgien meinte man, der gesamte Gebetsteil bewirke die von Christus verheißene Wirklichkeit. Die Anrufung des Heiligen Geistes geschah sowohl für die Gemeinschaft als auch für die Elemente von Brot und Wein. Die Wiedergewinnung eines solchen Verständnisses könnte uns helfen, unsere Schwierigkeiten hinsichtlich eines besonderen Momentes der Konsekration zu überwinden.

15. Kraft des lebendigen Wortes Christi und durch die Macht des Heiligen Geistes werden Brot und Wein die sakramentalen Zeichen des Leibes und Blutes Christi. Sie bleiben dies für den Zweck der Kommunion.

Kommentar:

In der Geschichte der Kirche wurden verschiedene Versuche unternommen, das Geheimnis der wirklichen und einzigartigen Gegenwart Christi in der Eucharistie zu verstehen. Einige begnügen sich damit, diese Gegenwart lediglich zu bejahen, ohne zu versuchen, sie zu erklären. Andere halten es für notwendig, auf einer Wandlung zu bestehen, bewirkt durch den Heiligen Geist und die Worte Christi, die zur Folge hat, daß es nicht mehr gewöhnliches Brot und gewöhnlicher Wein sind, sondern Leib und Blut Christi. Wieder andere haben eine Erklärung der wirklichen Gegenwart entwickelt, die, obwohl sie nicht die Bedeutung des Geheimnisses zu erschöpfen beansprucht, es doch vor entstellenden Interpretationen zu schützen sucht.

16. Die ganze Handlung der Eucharistie hat einen epikletischen Charakter, weil sie vom Wirken des Heiligen Geistes abhängt. Dieser Aspekt der Eucharistie findet in den Worten der Liturgie unterschiedlichen Ausdruck.17. Die Kirche, als die Gemeinschaft des Neuen Bundes, ruft zuversichtlich den Heiligen Geist an, damit sie geheiligt und erneuert, in alle Gerechtigkeit, Wahrheit und Einheit geführt und befähigt werde, ihre Sendung in der Welt zu erfüllen.

18. Der Heilige Geist gibt uns durch die Eucharistie einen Vorgeschmack des Reiches Gottes: Die Kirche empfängt das Leben der neuen Schöpfung und die Zusicherung der Wiederkehr des Herrn.D. Die Eucharistie als Gemeinschaft (Communio) der Gläubigen

19. Die eucharistische Gemeinschaft mit dem gegenwärtigen Christus, der das Leben der Kirche stärkt, ist zugleich auch die Gemeinschaft im Leibe Christi, der Kirche. Das Teilhaben am einen Brot und gemeinsamen Kelch an einem bestimmten Ort macht deutlich und bewirkt das Einssein der hier Teilhabenden mit Christus und mit den anderen mit ihnen Teilhabenden zu allen Zeiten und an allen Orten. In der Eucharistie findet die Gemeinschaft des Volkes Gottes ihre volle Darstellung. Eucharistische Feiern haben es immer mit der ganzen Kirche zu tun, wie auch die ganze Kirche an jeder einzelnen Feier der Eucharistie beteiligt ist.Insofern als eine Kirche eine Verkörperung der ganzen Kirche zu sein beansprucht, wird sie Sorge tragen, ihr eigenes Leben so zu gestalten, daß dabei die Interessen und Anliegen von Schwesterkirchen ernstgenommen werden.

Kommentar:

Von Anfang an wurde die Taufe als das Sakrament verstanden, durch das die Gläubigen dem Leib Christi eingegliedert und mit dem Heiligen Geist beschenkt werden. So lange das Recht von getauften Gläubigen und ihren Pfarrern, in einer Kirche am eucharistischen Mahl teilzunehmen und ihm vorzustehen, von denen in Frage gestellt wird, die anderen eucharistischen Gemeinden angehören und diese leiten, ist die Katholizität der Eucharistie weniger deutlich. In vielen Kirchen wird heute über die Zulassung getaufter Kinder als Kommunikanten beim Abendmahl diskutiert.

20. Die Eucharistie umgreift alle Aspekte des Lebens. Sie ist ein repräsentativer Akt der Danksagung und Darbringung für die ganze Welt. Die eucharistische Feier fordert Versöhnung und Gemeinschaft unter all denen, die als Brüder und Schwestern in der einen Familie Gottes betrachtet werden, und sie ist eine ständige Herausforderung bei der Suche nach angemessenen Beziehungen im sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben (Mt 5,23f; 1 Kor 10,16f; 11,20-22; Gal 3,28). Alle Arten von Ungerechtigkeit, Rassismus, Trennung und Mangel an Freiheit werden radikal herausgefordert, wenn wir miteinander am Leib und Blut Christi teilhaben. Durch die Eucharistie durchdringt die alles erneuernde Gnade Gottes die menschliche Person und Würde und stellt sie wieder her. Die Eucharistie nimmt den Gläubigen hinein in das zentrale Geschehen der Geschichte der Welt. Als Teilnehmer an der Eucharistie erweisen wir uns daher als unwürdig, wenn wir uns nicht aktiv an der ständigen Wiederherstellung der Situation der Welt und der menschlichen Lebensbedingungen beteiligen. Die Eucharistie zeigt uns, daß unser Verhalten der versöhnenden Gegenwart Gottes in der menschlichen Geschichte in keiner Weise entspricht: Wir werden ständig vor das Gericht gestellt durch das Fortbestehen der verschiedensten ungerechten Beziehungen in unserer Gesellschaft, der mannigfachen Trennungen aufgrund menschlichen Stolzes, materieller Interessen und Machtpolitik und vor allem der Hartnäckigkeit ungerechtfertigter konfessioneller Gegensätze innerhalb des Leibes Christi.

21. Solidarität in der eucharistischen Gemeinschaft des Leibes Christi und verantwortliche Sorge der Christen füreinander und für die Welt finden in den Liturgien spezifischen Ausdruck: in der gegenseitigen Vergebung der Sünden; dem Friedensgruß; der Fürbitte für alle; dem gemeinsamen Essen und Trinken; dem Bringen der Elemente zu den Kranken und Gefangenen oder der Feier der Eucharistie mit ihnen. Alle diese Äußerungen der Liebe in der Eucharistie sind direkt auf das Selbstzeugnis Christi als Diener bezogen, an dessen Dienen die Christen selbst teilhaben. So wie Gott in Christus in die menschliche Situation eingegangen ist, so ist die eucharistische Liturgie den konkreten und besonderen Situationen der Menschen nahe. In der Alten Kirche gab der Dienst der Diakone und Diakonissen in besonderer Weise diesem Aspekt der Eucharistie Ausdruck. Der Ort eines solchen Dienstes zwischen dem Abendmahlstisch und den Bedürftigen bezeugt in rechter Weise die erlösende Gegenwart Christi in der Welt.

E. Die Eucharistie als Mahl des Gottesreiches

22. Die Eucharistie eröffnet die Schau der göttlichen Herrschaft, die als letztgültige Erneuerung der Schöpfung verheißen wurde, und ist deren Vorgeschmack. Zeichen dieser Erneuerung sind in der Welt gegenwärtig, wo immer die Gnade Gottes manifest ist und Menschen für Gerechtigkeit, Liebe und Frieden eintreten. Die Eucharistie ist die Feier, bei der die Kirche Gott für diese Zeichen Dank sagt und freudig das Kommen des Reiches in Christus feiert und vorwegnimmt (1 Kor 11,26; Mt 26,29).

23. Die Welt, der Erneuerung verheißen ist, ist in der ganzen eucharistischen Feier gegenwärtig. Die Welt ist in der Danksagung an den Vater gegenwärtig, wo die Kirche für die ganze Schöpfung spricht; sie ist gegenwärtig im Gedächtnis (Memorial) Christi, wo die Kirche, vereint mit ihrem Hohenpriester und Fürsprecher, für die Welt betet; im Gebet um die Gabe des Heiligen Geistes, wo die Kirche um Heiligung und Neuschöpfung bittet.

24. In der Eucharistie versöhnt, sind die Glieder des Leibes Christi berufen, Diener der Versöhnung unter den Menschen und Zeugen der Auferstehungsfreude zu sein. Wie Jesus zu den Zöllnern und Sündern ging und mit ihnen während seines Dienstes auf Erden Tischgemeinschaft hielt, so werden Christen in der Eucharistie aufgerufen, mit den Ausgestoßenen solidarisch zu sein und Zeichen der Liebe Christi zu werden, der für alle gelebt und sich hingegeben hat und sich nun selbst in der Eucharistie schenkt.

25. Die Feier der Eucharistie selbst ist eine Ausdrucksform der Teilnahme der Kirche an Gottes Sendung in die Welt. Diese Teilnahme nimmt alltägliche Form an in der Verkündigung des Evangeliums, im Dienst am Nächsten und in der glaubwürdigen Präsenz in der Welt.

26. Da die Eucharistie völlig Gabe Gottes ist, bringt sie in die Gegenwart eine neue Wirklichkeit, die die Christen in das Bild Christi verwandelt und sie daher zu seinen wirksamen Zeugen macht. Die Eucharistie ist kostbare Speise für Missionare, Brot und Wein für Pilger auf ihrer apostolischen Reise. Die eucharistische Gemeinschaft wird bewahrt und gestärkt, um durch Wort und Tat den Herrn Jesus Christus, der sein Leben für das Heil der Welt gab, zu bekennen. So wie die eucharistische Versammlung ein Volk wird, indem sie das Mahl des einen Herrn teilt, muß sie darum besorgt sein, auch diejenigen zu sammeln, die gegenwärtig außerhalb ihrer sichtbaren Grenze stehen, weil Christus alle zu seinem Fest geladen hat, für die er gestorben ist. So lange sich Christen nicht in voller Gemeinschaft um denselben Tisch vereinen können, um vom selben Brot zu essen und vom selben Kelch zu trinken, wird ihr missionarisches Zeugnis auf der persönlichen wie gemeinschaftlichen Ebene geschwächt.

III. Die Feier der Eucharistie

27. Die eucharistische Liturgie ist ihrem Wesen nach ein einheitliches Ganzes und besteht historisch aus folgenden Elementen in unterschiedlicher Anordnung und von verschiedener Bedeutung:

• Loblieder;

• Bußhandlung;

• Zuspruch der Vergebung;

• Verkündigung des Wortes Gottes — in verschiedenen Formen;

• Glaubensbekenntnis (Credo);

• Fürbitte für die ganze Kirche und für die Welt;

• Vorbereitung von Brot und Wein;

• Danksagung an den Vater für die Wunder der Schöpfung, Erlösung und Heiligung (hergeleitet aus der jüdischen Tradition der berakah);

• Christi Einsetzungsworte des Sakraments gemäß der neutestamentlichen Tradition;

Anamnese oder Gedächtnis (Memorial) der großen Taten der Erlösung, des Leidens, des Todes, der Auferstehung, Himmelfahrt und Pfingsten, durch die die Kirche ins Dasein gebracht wurde;

• Anrufung des Heiligen Geistes auf die Gemeinschaft und auf die Elemente von Brot und Wein (Epiklese, entweder vor den Einsetzungsworten oder nach dem Gedächtnis [Memorial] oder an beiden Stellen; oder ein anderer Hinweis auf den Heiligen Geist, der den epikletischen Charakter der Eucharistie angemessen zum Ausdruck bringt);

• Hingabe (Weihe) der Gläubigen an Gott;

• Hinweis auf die Gemeinschaft der Heiligen;

• Gebet um die Wiederkehr des Herrn und die endgültige Offenbarung seines Reiches;

• Amen der ganzen Gemeinschaft;

• Gebet des Herrn;

• Zeichen der Versöhnung und des Friedens;

• Brechen des Brotes;

• Essen und Trinken in Gemeinschaft mit Christus und jedem Glied der Kirche;

• abschließender Lobpreis;

• Segen und Sendung.

28. Der beste Weg zur Einheit in der eucharistischen Feier und Gemeinschaft ist die Erneuerung der Eucharistie selbst in bezug auf Lehre und Liturgie in den verschiedenen Kirchen. Die Kirchen sollten ihre Liturgien im Lichte der Übereinstimmung in der Eucharistie überprüfen, die sich jetzt im Prozeß der Verwirklichung befindet. Die liturgische Reformbewegung hat die Kirchen in der Weise, in der das Herrenmahl gefeiert wird, enger zusammengeführt. Eine gewisse liturgische Vielfalt, die mit unserem gemeinsamen eucharistischen Glauben vereinbar ist, wird jedoch als eine gesunde und bereichernde Tatsache anerkannt. Die Bejahung eines gemeinsamen eucharistischen Glaubens schließt weder in der Liturgie noch in der Praxis eine Uniformität mit ein.

Kommentar:

Seit der Zeit des Neuen Testamentes hat die Kirche immer der Verwendung der Elemente von Brot und Wein, die Jesus selbst beim letzten Mahl gebrauchte, größte Bedeutung beigemessen. In einigen Teilen der Welt, in denen Brot und Wein nicht üblich oder nicht erhältlich sind, wird heute manchmal die Auffassung vertreten, daß ortsübliche Nahrungsmittel und Getränke die Eucharistie besser im täglichen Leben verankern können. Es muß noch weiter untersucht werden, welche Teile des Herrenmahls unveränderbar von Jesus eingesetzt worden sind und welche in die Entscheidungskompetenz der Kirchen fallen.

29. In der Feier der Eucharistie sammelt, lehrt und nährt Christus die Kirche. Es ist Christus, der zu dem Mahl einlädt und ihm vorsteht. Er ist der Hirte, der das Volk Gottes leitet, der Prophet, der das Wort Gottes verkündet, der Priester, der das Geheimnis Gottes feiert. In den meisten Kirchen wird dieser Vorsitz durch einen ordinierten Amtsträger zum Ausdruck gebracht. Wer der Eucharistiefeier im Namen Christi vorsteht, macht deutlich, daß der Ritus nicht Schöpfung oder Besitz der Versammlung ist; die Eucharistie wird als Gabe von Christus empfangen, der in seiner Kirche lebt. Der Diener (minister) der Eucharistie ist der Botschafter, der die göttliche Initiative repräsentiert und die Verbindung der Ortsgemeinde zu den anderen lokalen Gemeinschaften in der universalen Kirche zum Ausdruck bringt.

30. Der christliche Glaube wird durch die Feier des Herrenmahls vertieft. Deshalb sollte die Eucharistie häufig gefeiert werden. Viele Unterschiede in Theologie, Liturgie und Praxis hängen mit der unterschiedlichen Häufigkeit zusammen, mit der das Abendmahl gefeiert wird.

31. Da die Eucharistie die Auferstehung Christi feiert, ist es angemessen, daß sie wenigstens jeden Sonntag gefeiert wird. Da sie das neue sakramentale Mahl des Volkes Gottes ist, sollte jeder Christ ermutigt werden, das Abendmahl häufig zu empfangen.

32. Einige Kirchen betonen, daß die Gegenwart Christi in den geweihten Elementen auch nach der Feier fortdauert. Andere Kirchen legen das Hauptgewicht auf die Feier selbst und den Verzehr der Elemente bei der Austeilung. Die Art und Weise, wie die Elemente behandelt werden, bedarf besonderer Aufmerksamkeit. Hinsichtlich der Praxis der Aufbewahrung der Elemente sollte jede Kirche die Praxis und Frömmigkeit der anderen respektieren. Angesichts der unterschiedlichen Praxis der Kirchen und gleichzeitig unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Situation im Konvergenzprozeß scheint es wünschenswert:

• daß auf der einen Seite daran erinnert wird, besonders in Predigten und Unterweisung, daß die primäre Intention der Aufbewahrung der Elemente deren Austeilung an Kranke und bei der Feier Abwesenden ist; und

• daß auf der anderen Seite anerkannt wird, daß man die Achtung für die in der Eucharistie verwandten Elemente am besten dadurch zum Ausdruck bringt, daß man sie verzehrt, ohne dabei ihren Gebrauch für das Krankenabendmahl auszuschließen.

33. Das wesentlich größer gewordene gegenseitige Verständnis, das in der vorliegen- den Erklärung zum Ausdruck kommt, könnte es einigen Kirchen erlauben, ein größeres Maß an eucharistischer Gemeinschaft untereinander zu erreichen und so den Tag näherzubringen, an dem das gespaltene Volk Christi um den Tisch des Herrn sichtbar wiedervereint sein wird.

Amt

I. Die Berufung des ganzen Volkes Gottes

1. In einer zerbrochenen Welt beruft Gott die ganze Menschheit, sein Volk zu werden. Zu diesem Zweck hat Gott Israel auserwählt und dann auf einzigartige und entscheidende Weise in Jesus Christus, Gottes Sohn, gesprochen. Jesus hat sich Wesen, Verfassung und Schicksal der ganzen Menschheit zu eigen gemacht und sich selbst als Opfer für alle gegeben. Jesu Leben des Dienens, sein Tod und seine Auferstehung bilden das Fundament einer neuen Gemeinschaft, die ständig auferbaut wird durch die gute Botschaft des Evangeliums und die Gaben der Sakramente. Der Heilige Geist vereinigt diejenigen, die Jesus Christus folgen, in einem einzigen Leib und sendet sie als Zeugen in die Welt. Zur Kirche zu gehören, bedeutet, in Gemeinschaft mit Gott durch Christus im Heiligen Geist zu leben.

2. Das Leben der Kirche beruht auf Christi Sieg über die Mächte des Bösen und des Todes, der ein für allemal errungen wurde. Christus gewährt Vergebung, lädt zur Buße ein und bewahrt vor Vernichtung. Durch Christus werden Menschen befähigt, sich lobpreisend Gott und dienend ihren Nächsten zuzuwenden. In Christus finden sie die Quelle des neuen Lebens in Freiheit, gegenseitiger Vergebung und Liebe. Durch Christus werden ihre Herzen und Sinne auf die Vollendung des Gottesreiches gelenkt, wo Christi Sieg offenbar und alles neu gemacht werden wird. Es ist Gottes Absicht, daß in Jesus Christus alle Menschen an dieser Gemeinschaft teilhaben sollen.

3. Die Kirche lebt durch die befreiende und erneuernde Kraft des Heiligen Geistes. Daß der Heilige Geist auf Jesus ruhte, wird in seiner Taufe bezeugt, und nach der Auferstehung wurde dieser selbe Geist denen gegeben, die an den auferstandenen Herrn glaubten, um sie als Leib Christi neu zu erschaffen. Der Geist beruft Menschen zum Glauben, heiligt sie durch viele Gaben, gibt ihnen Kraft, das Evangelium zu bezeugen, und befähigt sie, in Hoffnung und Liebe zu dienen. Der Geist erhält die Kirche in der Wahrheit und leitet sie trotz der Schwachheit ihrer Glieder.

4. Die Kirche ist berufen, das Reich Gottes zu verkünden und vorweg darzustellen. Sie verwirklicht dies durch die Verkündigung des Evangeliums an die Welt und durch ihre Existenz als Leib Christi. In Jesus kam das Reich Gottes mitten unter uns. Er schenkte Sündern das Heil. Er verkündigte den Armen die frohe Botschaft, den Gefangenen Freilassung, den Blinden Wiedererlangung des Augenlichts, den Unter- drückten Befreiung (Lk 4,18). Christus eröffnete einen neuen Zugang zum Vater. Alle Glieder der Kirche, indem sie in dieser Gemeinschaft mit Gott leben, sind berufen, ihren Glauben zu bekennen und von ihrer Hoffnung Rechenschaft abzulegen. Sie sollen sich mit den Freuden und Leiden aller Menschen identifizieren, wenn sie im Dienst der Liebe Zeugnis abzulegen suchen. Die Glieder des Leibes Christi sollen mit den Unterdrückten auf jene Freiheit und Würde hin kämpfen, die mit dem Kommen des Reiches verheißen wurde. Diese Sendung muß in unterschiedlichen politischen, sozialen und kulturellen Zusammenhängen verwirklicht werden. Um diese Sendung glaubwürdig zu erfüllen, werden sie angemessene Formen des Zeugnisses und Dienstes in jeder Situation suchen. Indem sie dies tun, bringen sie der Welt einen Vorgeschmack der Freude und der Herrlichkeit von Gottes Reich.

5. Der Heilige Geist verleiht der Gemeinde verschiedene und einander ergänzende Gaben. Sie werden für das gemeinsame Wohl des ganzen Volkes gegeben und äußern sich in Werken des Dienstes innerhalb der Gemeinschaft und an der Welt. Es mögen Gaben sein, das Evangelium in Wort und Tat mitzuteilen, Gaben der Heilung, Gaben des Betens, Gaben des Lehrens und Lernens, Gaben des Dienens, Gaben des Leitens und des Geleitetwerdens, Gaben der Inspiration und Vision. Alle Glieder sind berufen, mit Hilfe der Gemeinschaft die Gaben zu entdecken, die sie empfangen haben, und sie für die Auferbauung der Kirche und den Dienst an der Welt zu gebrauchen, in die die Kirche gesandt ist.

6. Obwohl sich die Kirchen in ihrem allgemeinen Verständnis der Berufung des Volkes Gottes einig sind, unterscheiden sie sich in ihrem Verständnis dessen, wie das Leben der Kirche geordnet wird. Insbesondere bestehen Unterschiede bezüglich der Stellung und Formen des ordinierten Amtes. Wenn sich die Kirchen daran machen, diese Unterschiede zu überwinden, müssen sie ihren Ausgangspunkt bei der Berufung des ganzen Volkes Gottes nehmen. Eine gemeinsame Antwort muß auf folgende Frage gefunden werden: Wie ist das Leben der Kirche nach dem Willen Jesu Christi und unter der Leitung des Heiligen Geistes zu verstehen und zu ordnen, so daß das Evangelium verbreitet und die Gemeinschaft in Liebe auferbaut werden kann?

II. Die Kirche und das ordinierte Amt

7. Unterschiede in der Terminologie sind ein Teil der Amtsdiskussion. Um in den Gesprächen über das ordinierte Amt in der Kirche Mißverständnisse zu vermeiden, muß klar beschrieben werden, wie die verschiedenen Begriffe in den folgenden Abschnitten gebraucht werden.

a) Das Wort Charisma bezeichnet die Gaben, die der Heilige Geist jedem Glied des Leibes Christi verleiht, um die Gemeinschaft aufzuerbauen und ihre Berufung zu erfüllen.

b) Das Wort Dienst (ministry) im weitesten Sinne bezeichnet den Dienst, zu dem das ganze Volk Gottes berufen ist, sei es als einzelne, als örtliche Gemeinschaft oder als universale Kirche. Dienst oder Dienste können auch die besonderen institutionalisierten Formen bezeichnen, die dieser Dienst annehmen kann.

c) Der Ausdruck ordiniertes Amt (ordained ministry) bezieht sich auf Personen, die ein Charisma empfangen haben und die die Kirche zum Dienst ernennt durch die Ordination, durch Anrufung des Geistes und Handauflegung.

d) Viele Kirchen benutzen das Wort Priester, um damit bestimmte ordinierte Personen zu bezeichnen. Da dieser Sprachgebrauch nicht allgemein ist, wird sich das Dokument in Abschnitt 17 mit den inhaltlichen Fragen befassen.

A. Das ordinierte Amt

8. Um ihre Sendung zu erfüllen, braucht die Kirche Personen, die öffentlich und ständig dafür verantwortlich sind, auf ihre fundamentale Abhängigkeit von Jesus Christus hinzuweisen, und die dadurch innerhalb der vielfältigen Gaben einen Bezugspunkt ihrer Einheit darstellen. Das Amt solcher Personen, die seit sehr früher Zeit ordiniert wurden, ist konstitutiv für das Leben und Zeugnis der Kirche.

9. Die Kirche war niemals ohne Personen, die spezifische Autorität und Verantwortung innehatten. Christus wählte die Jünger und sandte sie aus, um das Reich Gottes zu bezeugen (Mt 10,1-8). Den Zwölf wurde verheißen, daß sie auf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten (Lk 22,30). Eine besondere Rolle wird den Zwölf innerhalb der Gemeinden der ersten Generation zugeschrieben. Sie sind Zeugen des Lebens und der Auferstehung des Herrn (Apg 1,21-26), sie leiten die Gemeinde in Gebet, Lehre, beim Brotbrechen, in Verkündigung und Dienst (Apg 2, 42-47; 6,2-6 usw.). Die Existenz der Zwölf und anderer Apostel zeigt als solche schon, daß es bereits von Anfang an in der Gemeinschaft unterschiedliche Rollen gab.

Kommentar:

Im Neuen Testament wird der Begriff Apostel unterschiedlich gebraucht. Er wird für die Zwölf benutzt, aber auch für einen weiteren Kreis von Jüngern. Er wird auf Paulus und auf andere angewandt, die von dem auferstandenen Christus ausgesandt werden, das Evangelium zu verkünden. Die Rolle der Apostel umfaßt sowohl Grundlegung als auch Sendung.

10. Jesus berief die Zwölf zu Repräsentanten des erneuerten Israel. In diesem Moment vertreten sie das ganze Volk Gottes und üben gleichzeitig eine besondere Rolle inmitten dieser Gemeinschaft aus. Nach der Auferstehung sind sie unter den Leitern der Gemeinschaft. Man kann sagen, daß die Apostel sowohl die Kirche als Ganze als auch die Personen in ihr, die mit spezifischer Autorität und Verantwortung betraut sind, vorweg abbilden. Die Rolle der Apostel als Zeugen für die Auferstehung Christi ist einzigartig und unwiederholbar. Daher besteht ein Unterschied zwischen den Aposteln und den ordinierten Amtsträgern, deren Ämter auf denen der Apostel gründen.

11. So wie Christus die Apostel auserwählt und ausgesandt hat, so fährt Christus durch den Heiligen Geist fort, Personen für das ordinierte Amt auszuwählen und zu berufen. Als Herolde und Botschafter sind die ordinierten Amtsträger Repräsentanten Jesu Christi gegenüber der Gemeinschaft und verkünden seine Botschaft der Versöhnung. Als Leiter und Lehrer fordern sie die Gemeinschaft auf, sich der Autorität Jesu Christi, des Lehrers und Propheten, in dem das Gesetz und die Propheten erfüllt worden sind, zu unterstellen. Als Hirten unter Jesus Christus, dem obersten Hirten, sammeln und leiten sie das zerstreute Volk Gottes in Antizipierung des kommenden Gottesreiches.

Kommentar:

Die grundlegende Realität eines ordinierten Amtes bestand von Anfang an (vgl. Abschn. 8). Die tatsächlichen Formen der Ordination und des ordinierten Amtes haben sich jedoch in komplexen geschichtlichen Entwicklungen herausgebildet (vgl. Abschn. 19). Die Kirchen sollten es daher vermeiden, ihre spezifischen Formen des ordinierten Amtes direkt auf den Willen und die Einsetzung durch Jesus Christus selbst zurückzuführen.

12. Alle Glieder der Gemeinschaft der Glaubenden, Ordinierte wie Laien, sind aufeinander bezogen. Einerseits bedarf die Gemeinde der ordinierten Amtsträger. Deren Präsenz erinnert die Gemeinschaft an die göttliche Initiative und an die Abhängigkeit der Kirche von Jesus Christus, der die Quelle ihrer Sendung und die Grundlage ihrer Einheit ist. Sie dienen, um die Gemeinschaft in Christus aufzuerbauen und ihr Zeugnis zu stärken. Die Kirche möchte, daß sie ein Beispiel an Heiligkeit und liebevoller Anteilnahme geben. Andererseits kann das ordinierte Amt nicht abgesehen von der Gemeinschaft existieren. Die ordinierten Amtsträger können ihre Berufung nur in der und für die Gemeinschaft erfüllen. Sie bedürfen der Anerkennung, Unterstützung und Ermutigung durch die Gemeinschaft.

13. Die hauptsächliche Verantwortung des ordinierten Amtes besteht darin, den Leib Christi zu sammeln und aufzuerbauen durch die Verkündigung und Unterweisung des Wortes Gottes, durch die Feier der Sakramente und durch die Leitung des Lebens der Gemeinschaft in ihrem Gottesdienst, in ihrer Sendung und in ihrem fürsorgenden Dienst.

Kommentar:

Diese Aufgaben werden nicht ausschließlich durch das ordinierte Amt ausgeübt. Da das ordinierte Amt und die Gemeinschaft untrennbar aufeinander bezogen sind, haben alle Glieder an der Erfüllung dieser Funktionen teil. In der Tat dient jedes Charisma dazu, den Leib Christi zu sammeln und aufzuerbauen. Jedes Glied des Leibes kann an der Verkündigung und Unterweisung des Wortes Gottes teilhaben, kann zum sakramentalen Leben dieses Leibes beitragen. Das ordinierte Amt erfüllt diese Funktionen in repräsentativer Weise, indem es der Bezugspunkt für die Einheit des Lebens und des Zeugnisses der Gemeinschaft ist.

14. Besonders in der eucharistischen Feier ist das ordinierte Amt der sichtbare Bezugspunkt der tiefen und allumfassenden Gemeinschaft zwischen Christus und den Gliedern seines Leibes. In der Feier der Eucharistie sammelt, lehrt und erhält Christus die Kirche. Es ist Christus, der zum Mahl einlädt und ihm vorsteht. In den meisten Kirchen wird diese Leitung durch einen ordinierten Amtsträger bezeichnet und repräsentiert.

Kommentar:

Das Neue Testament sagt sehr wenig über die Ordnung der Eucharistie. Es gibt keine expliziten Belege für die Leitung der Eucharistie. Schon bald ist deutlich, daß ein ordinierter Amtsträger die Feier leitet. Wenn das ordinierte Amt einen Bezugspunkt für die Einheit des Lebens und Zeugnisses der Kirche darstellen soll, ist es angemessen, daß einem ordinierten Amtsträger diese Aufgabe übertragen werden sollte. Sie ist unmittelbar verbunden mit der Aufgabe, die Gemeinschaft zu leiten, d. h. über ihr Leben zu wachen (episkopé) und ihre Wachsamkeit im Blick auf die Wahrheit der apostolischen Botschaft und das Kommen des Gottesreiches zu stärken.

B. Ordiniertes Amt und Autorität

15. Die Autorität des ordinierten Amtsträgers ist begründet in Jesus Christus, der sie vom Vater (Mt 28,18) empfangen hat und der sie durch den Heiligen Geist im Akt der Ordination verleiht. Dieser Akt findet innerhalb einer Gemeinschaft statt, die eine bestimmte Person öffentlich anerkennt. Weil Jesus kam, um zu dienen (Mk 10,45; Lk 22,27) bedeutet ausgesondert werden, zum Dienst geweiht zu werden. Da Ordination vor allem eine Aussonderung mit Gebet um die Gabe des Heiligen Geistes ist, ist die Autorität des ordinierten Amtes nicht als Besitz des Ordinierten zu verstehen, sondern als eine Gabe für die fortdauernde Erbauung des Leibes, in dem und für den der Amtsträger ordiniert worden ist. Autorität hat den Charakter der Verantwortung vor Gott und wird in Zusammenarbeit mit der ganzen Gemeinschaft ausgeübt.

16. Daher dürfen ordinierte Amtsträger weder Autokraten noch unpersönliche Funktionäre sein. Obwohl sie auf der Grundlage des Wortes Gottes zu einsichtsvoller und fürsorgender Leitung berufen sind, sind sie an die Gläubigen in wechselseitiger Abhängigkeit und Zusammenarbeit gebunden. Nur wenn sie Antwort und Anerkennung der Gemeinschaft suchen, kann ihre Autorität vor Entstellungen durch Isolation und Herrschaft geschützt werden. Sie manifestieren und üben die Autorität Christi in der Weise aus, in der Christus selbst die Autorität Gottes der Welt offenbarte: indem sie ihr Leben der Gemeinschaft völlig widmen. Die Autorität Christi ist einzigartig. Er lehrte sie mit Vollmacht (exousia) und nicht so wie ihre Schriftgelehrten (Mt 7,29). Diese Autorität ist eine Autorität, die von der Liebe für die Schafe, die keinen Hirten haben (Mt 9,36), geleitet wird. Sie wird durch sein Leben des Dienens und entscheidend durch seinen Tod und seine Auferstehung bestätigt. Autorität in der Kirche kann nur authentisch sein, wenn sie diesem Modell zu entsprechen sucht.

Kommentar:

Zwei Gefahren müssen hier vermieden werden. Autorität kann nicht ohne Rücksicht auf die Gemeinschaft ausgeübt werden. Die Apostel achteten auf die Erfahrung und das Urteil der Gläubigen. Andererseits darf die Autorität der ordinierten Amtsträger nicht so eingeschränkt werden, daß diese von der allgemeinen Meinung der Gemeinschaft abhängig werden. Ihre Autorität liegt in ihrer Verantwortung, den Willen Gottes in der Gemeinschaft zum Ausdruck zu bringen.

C. Ordiniertes Amt und Priestertum

17. Jesus Christus ist der einzigartige Priester des Neuen Bundes. Christi Leben wurde als Opfer für uns alle gegeben. Im abgeleiteten Sinne kann die Kirche als Ganze als eine Priesterschaft beschrieben werden. Alle Glieder sind berufen, ihr ganzes Sein als ein lebendiges Opfer darzubringen und für die Kirche und das Heil der Welt zu beten. Die ordinierten Amtsträger stehen wie alle Christen sowohl zum Priestertum Christi als auch zum Priestertum der Kirche in Beziehung. Aber sie können zu Recht Priester genannt werden, weil sie einen besonderen priesterlichen Dienst erfüllen, indem sie das königliche und prophetische Priestertum der Gläubigen durch Wort und Sakramente, durch ihre Fürbitte und durch ihre seelsorgerliche Leitung der Gemeinschaft stärken und auferbauen.

Kommentar:

Das Neue Testament verwendet niemals die Ausdrücke Priestertum oder Priester (hiereus), um das ordinierte Amt oder den ordinierten Amtsträger zu bezeichnen. Im Neuen Testament bleibt dieser Ausdruck einerseits dem einzigartigen Priestertum Jesu Christi vorbehalten und andererseits dem königlichen und prophetischen Priestertum aller Getauften. Das Priestertum Christi und das Priestertum der Getauften haben jeweils die Funktion des Opfers und der Fürbitte. Wie Christus sich selbst geopfert hat, so bringen Christen ihr ganzes Sein als ein lebendiges Opfer dar. Wie Christus fürbittend vor dem Vater eintritt, so treten Christen fürbittend für die Kirche und das Heil der Welt ein. Dennoch dürfen die Unterschiede zwischen diesen beiden Arten des Priestertums nicht übersehen werden. Während Christus sich selbst als einzigartiges Opfer ein für allemal für das Heil der Welt hingab, müssen die Glaubenden ständig das als eine Gabe Gottes empfangen, was Christus für sie getan hat.

In der Alten Kirche wurden die Ausdrücke Priestertum und Priester allmählich dazu benutzt, das ordinierte Amt und den Amtsträger als Leiter der Eucharistie zu bezeichnen. Sie unterstreichen die Tatsache, daß das ordinierte Amt auf die priesterliche Realität Jesu Christi und der ganzen Gemeinschaft bezogen ist. Wenn man diese Begriffe in Verbindung mit dem ordinierten Amt verwendet, unterscheidet sich ihre Bedeutung in entsprechender Weise vom Opferpriestertum des Alten Testamentes, vom einzigartigen erlösenden Priestertum Christi und vom korporativen Priestertum des Volkes Gottes. Paulus konnte von seinem Dienst sagen: . . . um wie ein Priester den Dienst am Evangelium Gottes zu versehen, damit die Heiden ein Opfer werden, das Gott wohlgefällig ist, geheiligt durch den heiligen Geist (Rom 15,16).

D. Das Amt von Männern und Frauen in der Kirche

18. Wo Christus gegenwärtig ist, werden menschliche Schranken durchbrochen. Die Kirche ist berufen, der Welt das Bild einer neuen Menschheit zu vermitteln. In Christus ist nicht Mann noch Frau (Gal 3,28). Frauen wie Männer müssen ihren Beitrag zum Dienst Christi in der Kirche entdecken. Die Kirche muß den Dienst erkennen, der von Frauen verwirklicht werden kann, ebenso wie den, der von Männern geleistet werden kann. Ein tiefergehendes Verständnis des umfassenden Charakters des Dienstes, das die gegenseitige Abhängigkeit von Männern und Frauen widerspiegelt, muß noch breiter im Leben der Kirche zum Ausdruck kommen. Obwohl die Kirchen sich in dieser Notwendigkeit einig sind, ziehen sie daraus unterschiedliche Folgerungen bezüglich der Zulassung von Frauen zum ordinierten Amt. Eine zunehmende Zahl von Kirchen hat entschieden, daß weder biblische noch theologische Gründe gegen die Ordination von Frauen sprechen, und viele von ihnen haben inzwischen Frauen ordiniert. Viele Kirchen sind jedoch der Meinung, daß die Tradition der Kirche in dieser Hinsicht nicht geändert werden darf.

Kommentar:

Diejenigen Kirchen, die Frauen ordinieren, tun dies aus ihrem Verständnis des Evangeliums und des Amtes heraus. Es beruht für sie auf der tiefen theologischen Überzeugung, daß es dem ordinierten Amt der Kirche an Fülle mangelt, wenn es auf ein Geschlecht beschränkt ist. Diese theologische Überzeugung wurde verstärkt durch ihre Erfahrung in den Jahren, in denen sie Frauen in ihr ordiniertes Amt einbezogen haben. Sie haben erfahren, daß die Gaben der Frauen so breit gestreut und vielseitig sind wie die der Männer und daß ihr Amt vom Heiligen Geist in ebenso vollem Maße gesegnet ist wie das Amt der Männer. Keine Kirche hat Anlaß gehabt, ihre Entscheidung zu überprüfen.

Diejenigen Kirchen, die Frauen nicht ordinieren, meinen, daß die Macht einer 1900jährigen Tradition, die gegen die Ordination der Frauen spricht, nicht ausgeklammert werden darf. Sie glauben, daß eine solche Tradition nicht als Mangel an Respekt für die Beteiligung der Frauen in der Kirche abgetan werden kann. Sie glauben auch, daß es theologische Gesichtspunkte gibt im Blick auf die Natur des Menschseins und die Christologie, die ihren Überzeugungen und ihrem Verständnis für die Rolle der Frauen in der Kirche am Herzen liegen.

Die Diskussion dieser praktischen und theologischen Fragen sollte in den verschiedenen Kirchen und christlichen Traditionen durch gemeinsame Studien und Überlegungen in der ökumenischen Gemeinschaft aller Kirchen ergänzt werden.

III. Formen des ordinierten Amtes

A. Bischöfe, Presbyter und Diakone

19. Das Neue Testament beschreibt nicht eine einheitliche Amtsstruktur, die als Modell oder bleibende Norm für jedes zukünftige Amt in der Kirche dienen könnte. Im Neuen Testament findet sich vielmehr eine Vielfalt von Formen, die an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten bestanden haben. Indem der Heilige Geist weiterhin die Kirche in Leben, Gottesdienst und Sendung leitete, wurden bestimmte Elemente aus dieser frühen Vielfalt weiter entwickelt und bildeten schließlich eine mehr universale Struktur des Amtes. Im 2. und 3. Jahrhundert setzte sich eine dreigliedrige Struktur aus Bischof, Presbyter und Diakon als Struktur für das ordinierte Amt in der ganzen Kirche durch. In den folgenden Jahrhunderten hat das Amt des Bischofs, Presbyters und Diakons in seiner praktischen Ausübung beträchtliche Veränderungen durchgemacht. In manchen Krisenzeiten der Geschichte der Kirche waren die bleibenden Funktionen des Amtes an manchen Orten und in manchen Gemeinschaften gemäß anderen Strukturen als der der vorherrschenden dreiteiligen Struktur verteilt. Manchmal wurde auf das Neue Testament zur Rechtfertigung dieser anderen Strukturen verwiesen. In anderen Fällen wurde die Auffassung vertreten, daß es in der Kompetenz der Kirche liege, das Amt je nach den veränderten Umständen zu strukturieren.

20. Es ist wichtig, sich der Änderungen bewußt zu sein, die das dreifache Amt in der Geschichte der Kirche erfahren hat. Die frühesten Zeugnisse, in denen das dreifache Amt Erwähnung findet, beziehen sich auf die örtliche eucharistische Gemeinschaft. Der Bischof war der Leiter der Gemeinde. Er wurde ordiniert und eingesetzt, um das Wort zu verkünden und die Feier der Eucharistie zu leiten. Er wurde von einem Kollegium von Presbytern und von Diakonen umgeben, die ihn in seinen Aufgaben unterstützten. In diesem Kontext war das Amt des Bischofs ein Zentrum der Einheit innerhalb der gesamten Gemeinschaft.

21. Die Funktionen wurden jedoch schon bald verändert. Die Bischöfe begannen immer mehr, gleichzeitig die Aufsicht (episkopé) über mehrere Ortsgemeinden wahrzunehmen. In der ersten Generation hatten Apostel episkopé im weiteren Bereich der Kirche ausgeübt. Später wird von Timotheus und Titus berichtet, daß sie die Funktion der episkopé in einem bestimmten Gebiet ausgeübt haben. Noch später wird diese apostolische Aufgabe auf neue Art und Weise von den Bischöfen ausgeübt. Sie bilden einen Bezugspunkt für die Einheit im Leben und Zeugnis innerhalb von Gebieten, die mehrere eucharistische Gemeinschaften umfassen. Folglich werden Presbytern und Diakonen neue Rollen zugewiesen. Die Presbyter werden zu Leitern der örtlichen eucharistischen Gemeinschaft, und als Assistenten der Bischöfe erhalten die Diakone Aufgaben in einem größeren Gebiet.

Kommentar:

Die Urkirche kannte den nicht ortsgebundenen Dienst solcher Missionare wie Paulus und den lokalen Dienst der Leitung an Orten, wo das Evangelium angenommen wurde. Auf der Ortsebene scheinen die organisatorischen Formen je nach den Umständen variiert zu haben. Die Apostelgeschichte erwähnt für Jerusalem die Zwölf und die Sieben und später Jakobus und die Ältesten; und für Antiochia Propheten und Lehrer (Apg 6,1-6; 15,13-22; 13,1). Die Briefe an die Korinther sprechen von Aposteln, Propheten und Lehrern (1 Kor 12,28); so auch der Römerbrief, der auch von Helfern oder Mitarbeitern spricht (Rom 16,1). In Philippi wurden die säkularen Begriffe episkopoi und diakonoi gemeinsam verwendet für christliche Amtsträger (Phil 1,1). Verschiedene dieser Ämter werden sowohl Männern wie Frauen zugeschrieben. Während einige durch Handauflegung ernannt wurden, findet sich kein Hinweis auf dieses Verfahren in anderen Fällen. Wie immer sie genannt worden sein mögen, Aufgabe dieser Ämter war, das Wort Gottes zu verkündigen, den ursprünglichen Inhalt des Evangeliums weiterzugeben und zu bewahren, den Glauben, die Disziplin und den Dienst der christlichen Gemeinden zu nähren und zu stärken und die Einheit in und zwischen ihnen zu schützen und zu fördern. Dies sind die ständigen Pflichten des Amtes durch die Entwicklungen und Krisen der christlichen Geschichte hindurch gewesen.


22. Obwohl es keine einheitliche neutestamentliche Struktur gibt, obwohl der Geist die Kirche oftmals dazu gebracht hat, ihre Ämter den kontextuellen Bedürfnissen anzugleichen und obwohl andere Formen des ordinierten Amtes mit den Gaben des Heiligen Geistes gesegnet worden sind, könnte dennoch das dreifache Amt des Bischofs, Presbyters und Diakons heute als ein Ausdruck der Einheit, die wir suchen, und auch als ein Mittel, diese zu erreichen, dienen. Geschichtlich ist es zutreffend zu sagen, daß das dreifache Amt zur allgemein akzeptierten Struktur in der Kirche der frühen Jahrhunderte wurde und heute von vielen Kirchen weiter beibehalten wird. In Erfüllung ihrer Sendung und ihres Dienstes brauchen die Kirchen Personen, die in verschiedener Weise die Aufgaben des ordinierten Amtes zum Ausdruck bringen und ausführen in seinen diakonischen, presbyteralen und episkopalen Aspekten und Funktionen.

23. Die Kirche als der Leib Christi und das eschatologische Gottesvolk wird vom Heiligen Geist durch eine Vielfalt von Gaben oder Diensten strukturiert und auferbaut. Unter diesen Gaben ist ein Dienst der episkopé notwendig, um die Einheit des Leibes zum Ausdruck zu bringen und zu bewahren. Jede Kirche braucht diesen Dienst der Einheit in irgendeiner Form, um Kirche Gottes zu sein, der eine Leib Christi, ein Zeichen der Einheit aller im Gottesreich.

24. Die dreigliedrige Amtsstruktur bedarf offenkundig einer Reform. In einigen Kirchen ist die kollegiale Dimension der Leitung in der eucharistischen Gemeinschaft sehr zurückgetreten. In anderen ist die Funktion der Diakone auf die Rolle eines Assistenten bei der Feier der Liturgie reduziert worden; sie erfüllen keine Funktion mehr im Blick auf das diakonische Zeugnis der Kirche. Ganz allgemein ist die Beziehung des Presbyterats zum Bischofsamt Jahrhunderte hindurch diskutiert worden, und das Maß der Teilhabe des Presbyters am Bischofsamt ist für viele noch immer eine ungelöste Frage von weitreichender ökumenischer Bedeutung. In einigen Fällen haben Kirchen, die nicht formell die dreigliedrige Form beibehalten haben, faktisch doch einige von deren ursprünglichen Strukturen bewahrt.

25. Aus der dreigliedrigen Struktur ergeben sich somit für alle Kirchen Fragen. Kirchen, die diese Struktur bewahrt haben, werden fragen müssen, wie deren Potential für ein mِglichst wirksames Zeugnis der Kirche in dieser Welt voll entfaltet werden kann. An dieser Aufgabe sollten Kirchen teilhaben, die nicht die dreigliedrige Struktur besitzen. Diese werden sich darüber hinaus fragen müssen, ob die dreigliedrige Struktur, wie sie sich entwickelt hat, nicht einen gewichtigen Anspruch darauf erheben kann, auch von ihnen übernommen zu werden.

B. Leitlinien zur Ausübung des ordinierten Amtes in der Kirche

26. Drei Überlegungen sind in dieser Hinsicht wichtig. Das ordinierte Amt sollte in einer persönlichen, kollegialen und gemeinschaftlichen Weise ausgeübt werden. Persönlich dadurch, daß auf die Präsenz Jesu Christi unter seinem Volk am wirksamsten durch eine Person hingewiesen werden kann, die ordiniert worden ist, um das Evangelium zu verkündigen und die Gemeinschaft dazu aufzurufen, dem Herrn in Einheit von Leben und Zeugnis zu dienen. Kollegial, denn es bedarf eines Kollegiums von ordinierten Amtsträgern, die an der gemeinsamen Aufgabe teilhaben, die Anliegen der Gemeinde zu vertreten. Schließlich muß das enge Verhältnis zwischen dem ordinierten Amt und der Gemeinschaft Ausdruck finden in einer gemeinschaftlichen Dimension, in der die Ausübung des ordinierten Amtes im Leben der Gemeinschaft verwurzelt sein muß und die wirksame Teilnahme der Gemeinschaft an der Erkenntnis von Gottes Willen und der Leitung des Geistes fordert.

Kommentar:

Diese drei Aspekte müssen zusammengehalten werden. In verschiedenen Kirchen wurde der eine oder andere auf Kosten der anderen überbetont. In manchen Kirchen ist die Tendenz erkennbar, daß die persönliche Dimension des ordinierten Amtes die kollegiale und gemeindliche Dimension zurückdrängt. In anderen Kirchen hat die kollegiale oder gemeinschaftliche Dimension so viel Bedeutung gewonnen, daß das ordinierte Amt seine persönliche Dimension verliert. Jede Kirche muß sich selbst die Frage stellen, wie ihre Ausübung des ordinierten Amtes im Laufe der Geschichte Schaden genommen hat.

Eine Anerkennung dieser drei Dimensionen liegt hinter einer Empfehlung, die auf der Ersten Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung in Lausanne (1927) ausgesprochen wurde: In Anbetracht der Stellung, welche die Bischöfe, die Kollegien der Presbyter und die Gemeinde der Gläubigen, alle in ihrem Teil, in der Verfassung der Alten Kirche gehabt haben; in Anbetracht der Tatsache ferner, daß jede der drei Verfassungsformen, die bischöfliche, presbyterische und die kongregationale, heutzutage wie seit Jahrhunderten, bei großen Gemeinschaften innerhalb der Christenheit Annahme gefunden haben, und schließlich in Anbetracht dessen, daß jede der drei Verfassungsformen, die bischöfliche, presbyterische und die kongregationale, von ihren jeweiligen Anhängern als notwendig für die richtige Verfassung der Kirche betrachtet wird, sprechen wir es als unsere Überzeugung aus, daß alle diese verschiedenen Elemente unter Bedingungen, die im einzelnen noch geklärt werden müssen, ihren angemessenen Platz in der Lebensordnung einer wieder geeinten Kirche haben müssen . . .

27. Das ordinierte Amt muß verfassungsmäßig oder kirchenrechtlich geordnet und in der Kirche so ausgeübt werden, daß jede dieser drei Dimensionen angemessenen Ausdruck finden kann. Auf der Ebene der örtlichen eucharistischen Gemeinschaft bedarf es eines ordinierten Amtsträgers, der innerhalb eines kollegialen Gremiums wirkt. Nachhaltige Betonung sollte auf die aktive Teilnahme aller Glieder am Leben und Entscheidungsprozeß der Gemeinschaft gelegt werden. Auf der regionalen Ebene bedarf es wiederum eines ordinierten Amtsträgers, der einen Dienst der Einheit ausübt. Die kollegialen und gemeinschaftlichen Dimensionen werden in regelmäßigen repräsentativen synodalen Zusammenkünften Ausdruck finden.

C. Funktionen der Bischöfe, Presbyter und Diakone

28. Was kann über die Funktionen und sogar Titel von Bischöfen, Presbytern und Diakonen gesagt werden? Eine einheitliche Antwort auf diese Frage ist nicht erforderlich für die gegenseitige Anerkennung des ordinierten Amtes. Die folgenden Überlegungen über die Funktionen werden deshalb in einer vorläufigen Weise angeboten.

29. Bischöfe predigen das Wort, stehen der Feier der Sakramente vor und üben Kirchenzucht aus in einer solchen Weise, daß sie repräsentative pastorale Amtsträger der Aufsicht, Kontinuität und Einheit in der Kirche sind. Sie haben pastorale Aufsicht über den Bereich, zu dem sie berufen sind. Sie dienen der Apostolizität und Einheit der Lehre, des Gottesdienstes und des sakramentalen Lebens der Kirche. Sie tragen Verantwortung für die Leitung in der Sendung der Kirche. Sie bringen die christliche Gemeinschaft in ihrem Gebiet in Verbindung mit dem weiteren Bereich der Kirche und die universale Kirche mit ihrer Gemeinschaft. Gemeinsam mit den Presbytern, Diakonen und der ganzen Gemeinschaft sind sie verantwortlich für die geordnete Weitergabe der Amtsautorität in der Kirche.

30. Presbyter dienen als pastorale Amtsträger des Wortes und der Sakramente in einer örtlichen eucharistischen Gemeinschaft. Sie sind Prediger und Lehrer des Glaubens, üben Seelsorge aus und tragen Verantwortung für die geistliche Ordnung der Gemeinde, damit die Welt glaube und alle Glieder der Kirche erneuert, gestärkt und für den Dienst zugerüstet werden mögen. Presbyter tragen besondere Verantwortung für die Vorbereitung der Glieder auf christliches Leben und christlichen Dienst.

31. Diakone stellen der Kirche ihre Berufung als Dienerin in der Welt vor Augen. Indem sie sich in Christi Namen für die unzähligen Bedürfnisse der Gesellschaften und Personen einsetzen, verdeutlichen die Diakone die wechselseitige Abhängigkeit von Gottesdienst und Dienst im Leben der Kirche. Sie üben Verantwortung im Gottesdienst der Gemeinde aus: z. B. indem sie die Schrift lesen, predigen und die Gemeinde im Gebet leiten. Sie helfen bei der Unterweisung der Gemeinde. Sie üben einen Dienst der Liebe innerhalb der Gemeinschaft aus. Sie erfüllen gewisse Verwaltungsaufgaben und können gewählt werden für Verantwortungsbereiche der Leitung.

Kommentar:

In vielen Kirchen besteht heute beträchtliche Unsicherheit hinsichtlich der Notwendigkeit, Begründung, des Status und der Funktionen von Diakonen. Inwiefern kann der Diakonat als Teil des ordinierten Amtes betrachtet werden? Was unterscheidet ihn von anderen Diensten in der Kirche (Katecheten, Kirchenmusiker, usw.)? Warum sollten Diakone ordiniert werden, während diese anderen Dienste keine Ordination erhalten? Wenn sie ordiniert werden, erhalten sie die Ordination im vollen Sinne des Wortes oder ist ihre Ordination nur der erste Schritt auf dem Weg zur Ordination als Presbyter? In vielen Kirchen besteht heute eine starke Tendenz, den Diakonat als ein ordiniertes Amt mit seiner eigenen Würde wiederherzustellen, der ein Leben lang ausgeübt werden soll. Indem sich die Kirchen einander annähern, könnten in diesem Amt Dienste vereinigt werden, die gegenwärtig in einer Vielfalt von Formen und unter verschiedenen Namen bestehen. Unterschiede in der Gestaltung des Diakonenamtes sollten nicht als Hindernis für die gegenseitige Anerkennung der ordinierten Ämter angesehen werden.

D. Vielfalt der Charismen

32. Die Gemeinschaft, die in der Kraft des Heiligen Geistes lebt, wird durch eine Vielfalt von Charismen gekennzeichnet. Der Geist ist der Geber unterschiedlicher Gaben, die das Leben der Gemeinschaft bereichern. Um ihre Wirksamkeit zu fördern, wird die Gemeinschaft manche dieser Charismen öffentlich anerkennen. Während einige von ihnen ständigen Bedürfnissen im Leben der Gemeinschaft dienen, werden andere nur vorübergehender Natur sein. Männer und Frauen in religiösen Ordensgemeinschaften leisten einen Dienst, der für das Leben der Kirche von besonderer Bedeutung ist. Das ordinierte Amt, das selbst ein Charisma ist, darf nicht zu einem Hindernis für die Vielfalt dieser Charismen werden. Im Gegenteil, es wird der Gemeinschaft helfen, die Gaben zu entdecken, die ihr vom Heiligen Geist verliehen sind, und wird die Glieder des Leibes Christi ausrüsten, auf vielfältige Weise zu dienen.

33. In der Geschichte der Kirche gab es Zeiten, in denen die Wahrheit des Evangeliums nur durch prophetische und charismatische Führer bewahrt werden konnte. Neue Impulse finden oft nur auf ungewöhnlichen Wegen Eingang in das Leben der Kirche. Gelegentlich erforderten Reformen ein besonderes Amt. Die ordinierten Amtsträger und die ganze Gemeinschaft werden auf die Herausforderung solcher besonderen Ämter achten müssen.

IV. Sukzession in der apostolischen Tradition

A. Apostolische Tradition in der Kirche

34. Im Glaubensbekenntnis bekennt die Kirche, daß sie apostolisch ist. Die Kirche lebt in Kontinuität mit den Aposteln und ihrer Verkündigung. Derselbe Herr, der die Apostel aussandte, ist weiterhin in der Kirche gegenwärtig. Der Geist hält die Kirche in der apostolischen Tradition bis zur Vollendung der Geschichte im Reich Gottes. Apostolische Tradition in der Kirche bedeutet Kontinuität in den bleibenden Merkmalen der Kirche der Apostel: Bezeugung des apostolischen Glaubens, Verkündigung und neue Interpretation des Evangeliums, Feier der Taufe und der Eucharistie, Weitergabe der Amtsverantwortung, Gemeinschaft in Gebet, Liebe, Freude und Leiden, Dienst an den Kranken und Bedürftigen, Einheit unter den Ortskirchen und gemeinsame Teilhabe an den Gaben, die der Herr jeder geschenkt hat.

Kommentar:

Die Apostel sind als Zeugen des Lebens und der Auferstehung Christi und von ihm ausgesandt die ursprünglichen berlieferer des Evangeliums, der Tradition der rettenden Worte und Taten Jesu Christi, die das Leben der Kirche begründen. Diese apostolische Tradition läuft weiter durch die Geschichte und verbindet die Kirche mit ihren Ursprüngen in Christus und im Kollegium der Apostel. Innerhalb dieser apostolischen Tradition besteht eine apostolische Sukzession des Amtes, die der Kontinuität der Kirche in ihrem Leben in Christus und ihrer Treue zu den von den Aposteln weitergegebenen Worten und Taten Jesu dient. Die Amtsträger, die von den Aposteln ernannt wurden, und dann die episkopoi der Kirchen waren die ersten Hüter dieser Weitergabe der apostolischen Tradition; sie bezeugten die apostolische Sukzession des Amtes, die durch die Bischöfe der Alten Kirche in kollegialer Gemeinschaft mit den Presbytern und Diakonen innerhalb der christlichen Gemeinschaft weitergeführt wurde. Es sollte deshalb ein Unterschied zwischen der apostolischen Tradition der ganzen Kirche und der Sukzession des apostolischen Amtes gemacht werden.

B. Sukzession des apostolischen Amtes

35. Die vorrangige Manifestation der apostolischen Sukzession findet sich in der apostolischen Tradition der Kirche als ganzer. Die Sukzession ist ein Ausdruck der Beständigkeit und daher der Kontinuität von Christi eigener Sendung, an der die Kirche teilhat. Innerhalb der Kirche hat das ordinierte Amt eine besondere Aufgabe, den apostolischen Glauben zu bewahren und zu vergegenwärtigen. Die geordnete Weitergabe des ordinierten Amtes ist daher ein wirksamer Ausdruck der Kontinuität der Kirche durch die Geschichte; sie betont auch die Berufung des ordinierten Amtsträgers als Hüter des Glaubens. Wo Kirchen der Bedeutung der geordneten Weitergabe wenig Bedeutung beimessen, müssen sie sich selbst fragen, ob sie nicht ihr Verständnis von Kontinuität in der apostolischen Tradition ändern sollten. Andererseits, wo das ordinierte Amt der Verkündigung des apostolischen Glaubens nicht angemessen dient, müssen sich die Kirchen fragen, ob ihre Amtsstrukturen nicht einer Reform bedürfen.

36. In den besonderen geschichtlichen Verhältnissen der wachsenden Kirche in den ersten Jahrhunderten wurde die Sukzession der Bischöfe zusammen mit der Weitergabe des Evangeliums und dem Leben der Gemeinschaft zu einer der Formen, in der die apostolische Tradition der Kirche zum Ausdruck kam. Diese Sukzession wurde als Dienst, Symbol und Schutz der Kontinuität des apostolischen Glaubens und der apostolischen Gemeinschaft verstanden.

Kommentar:

In der Alten Kirche wurde das Band zwischen dem Bischofsamt und der apostolischen Gemeinschaft in zweifacher Weise verstanden. Clemens von Rom verband den Auftrag des Bischofs mit der Sendung Christi durch den Vater und der Aussendung der Apostel durch Christus (Kor 42-44). Dadurch wurde der Bischof zum Nachfolger der Apostel und sicherte so die Permanenz der apostolischen Sendung in der Kirche. Clemens ist hauptsächlich an den Mitteln interessiert, durch die die historische Kontinuität von Christi Präsenz in der Kirche dank der apostolischen Sukzession gesichert wird. Für Ignatius von Antiochia (Magn. 6,1; 3,1-2; Trall. 3,1) ist es Christus, der von den Zwölf umgeben ist, der ständig in der Kirche in der Person des von den Presbytern umgebenen Bischofs gegenwärtig ist. Ignatius betrachtet die christliche Gemeinschaft, die um den Bischof inmitten der Presbyter und Diakone versammelt ist, als die gegenwärtige Manifestation der apostolischen Gemeinschaft im Heiligen Geist. Das Zeichen der apostolischen Sukzession weist daher nicht nur auf die historische Kontinuität hin; es manifestiert auch eine gegenwärtige geistliche Wirklichkeit.

37. In Kirchen, die die Sukzession durch das Bischofsamt praktizieren, wird zunehmend anerkannt, daß eine Kontinuität im apostolischen Glauben, Gottesdienst und in der Sendung bewahrt ist in Kirchen, die nicht die Form des historischen Bischofsamtes beibehalten haben. Diese Anerkennung findet zusätzliche Unterstützung in der Tatsache, daß die Wirklichkeit und die Funktionen des Bischofsamtes in vielen dieser Kirchen mit dem oder ohne den Titel Bischof bewahrt worden sind. Die Ordination z. B. wird in ihnen immer von Personen vollzogen, in denen die Kirche die Autorität der Weitergabe des Amtsauftrages anerkennt.

38. Diese Überlegungen mindern aber nicht die Bedeutung des Bischofsamtes. Im Gegenteil, sie ermöglichen Kirchen ohne Bischofsamt, die bischöfliche Sukzession als ein Zeichen, jedoch nicht als eine Garantie der Kontinuität und Einheit der Kirche zu schätzen. Heute erklären sich Kirchen einschließlich solcher, die an Unionsverhandlungen beteiligt sind, bereit, die bischöfliche Sukzession als ein Zeichen der Apostolizität des Lebens der ganzen Kirche zu akzeptieren. Gleichzeitig können sie jedoch keinem Vorschlag zustimmen, der darauf hinausläuft, daß das Amt, das in ihrer eigenen Tradition ausgeübt wird, nicht gültig sein sollte bis zu dem Augenblick, wo es in eine bestehende Linie der bischöflichen Sukzession eintritt. Ihre Annahme der bischöflichen Sukzession wird die Einheit der ganzen Kirche am besten fördern, wenn sie Teil eines umfassenderen Prozesses ist, durch den auch die bischöflichen Kirchen selbst ihre verlorene Einheit wiedergewinnen.

V. Ordination

A. Die Bedeutung der Ordination

39. Indem sie einige ihrer Glieder im Namen Christi durch die Anrufung des Geistes und die Handauflegung zum Amt ordiniert (1 Tim 4,14; 2 Tim 1,6), sucht die Kirche die Sendung der Apostel weiterzuführen und deren Lehre treu zu bleiben. Der Akt der Ordination durch diejenigen, die für diesen Dienst ernannt worden sind, bestätigt die Bindung der Kirche an Jesus Christus und das apostolische Zeugnis und erinnert daran, daß es der auferstandene Herr ist, der der wahre Ordinator ist und der die Gabe verleiht. Indem sie ordiniert, sorgt die Kirche unter der Eingebung des Heiligen Geistes für treue Verkündigung des Evangeliums und demütigen Dienst im Namen Christi. Die Handauflegung ist das Zeichen der Gabe des Geistes. Sie macht sichtbar, daß, das Amt in der in Christus verwirklichten Offenbarung eingesetzt wurde, und erinnert die Kirche daran, auf ihn als die Quelle ihrer Beauftragung zu schauen. Diese Ordination kann jedoch verschiedene Ausrichtungen haben im Blick auf die spezifischen Aufgaben von Bischöfen, Presbytern und Diakonen, wie dies in den Ordinationsliturgien angegeben ist.

Kommentar:

Es ist deutlich, daß die Kirchen verschiedene Praktiken der Ordination haben, und es wäre falsch, eine von ihnen als allein gültig herauszustellen. Wenn die Kirchen andererseits bereit sind, einander — wie oben beschrieben — im Zeichen der apostolischen Sukzession anzuerkennen, würde daraus folgen, daß die alte Tradition, nach der es der Bischof ist, der unter Beteiligung der Gemeinde ordiniert, ebenfalls anerkannt und geachtet wird.

40. Genaugenommen bezeichnet also die Ordination ein Handeln Gottes und der Gemeinschaft, durch das die Ordinierten durch den Geist für ihre Aufgabe gestärkt und durch die Anerkennung und Gebete der Gemeinde getragen werden.

Kommentar:

Die ursprünglichen neutestamentlichen Begriffe für die Ordination neigen dazu, einfach und beschreibend zu sein. Die Tatsache der Ernennung wird berichtet. Die Handauflegung wird beschrieben. Man bittet um den Geist. Verschiedene Traditionen haben unterschiedliche Auslegungen auf der Grundlage dieses Befundes entwikkelt.

Es ist offenkundig, daß ein gewisser Unterschied besteht zwischen dem unausgesprochenen kulturellen Rahmen des griechischen cheirotonein und dem lateinischen ordo oder ordinare. Die neutestamentliche Verwendung des ersten Begriffes übernimmt dessen säkulare Grundbedeutung von Ernennung (Apg 14,23; 2 Kor 8,19), die wiederum von der ursprünglichen Bedeutung des Ausstreckens der Hand entweder bei der Designierung einer Person oder bei einer Abstimmung hergeleitet ist. Einige Exegeten sehen in cheirotonein einen Hinweis auf den Akt der Handauflegung angesichts der wörtlichen Beschreibung solcher Handauflegung in anscheinend parallelen Fällen wie Apg 6,6; 8,17; 13,3,; 19,6; 1 Tim 4,14; 2 Tim 1,6. Ordo und ordinare andererseits sind Ausdrücke aus dem römischen Recht, wo sie die Vorstellung eines besonderen Status einer Gruppe vermitteln, die sich von der plebs unterscheidet, wie etwa in dem Ausdruck ordo clarissimus für den römischen Senat. Der Ausgangspunkt jeder Begriffsbildung, die diese Ausdrücke verwendet, wird das stark beeinflussen, was im daraus sich ergebenden Denken und Handeln als selbstverständlich angenommen wird.

B. Der Akt der Ordination

41. Eine lange und frühe christliche Tradition stellt die Ordination in den Zusammenhang des Gottesdienstes und insbesondere der Eucharistie. Durch diese Einordnung der Ordinationshandlung wird das Verständnis der Ordination als ein Akt der gesamten Gemeinschaft und nicht eines bestimmten Standes in ihr oder des einzelnen Ordinierten bewahrt. Der Akt der Ordination durch Handauflegung der dazu Ernannten ist zugleich Anrufung des Heiligen Geistes (epiklesis); sakramentales Zeichen; Anerkennung der Gaben und Verpflichtung.

42. a) Ordination ist eine Anrufung Gottes, daß der neue Amtsträger die Kraft des Heiligen Geistes in der neuen Beziehung empfangen möge, die hergestellt wird zwischen diesem Amtsträger und der örtlichen christlichen Gemeinschaft und, der Intention nach, auch zur universalen Kirche. Das Anderssein der göttlichen Initiative, für die das ordinierte Amt ein Zeichen ist, wird hier im Akt der Ordination selbst anerkannt. Der Geist weht, wo er will (vgl. Joh 3,8): Die Anrufung des Geistes schließt das völlige Sich-Verlassen auf Gott im Blick auf die Erhörung des Gebetes der Kirche ein. Das bedeutet, daß der Geist neue Kräfte in Bewegung setzen und neue Möglichkeiten eröffnen kann, der überschwenglich mehr tun kann als alles, was wir bitten oder verstehen (Eph 3,20).

43. b) Ordination ist ein Zeichen, daß der Herr, der die Gabe des ordinierten Amtes verleiht, dieses Gebet erhört. Wenngleich die Wirkungen der Epiklese der Kirche von der Freiheit Gottes abhängen, ordiniert die Kirche im Vertrauen darauf, daß Gott in Treue zu seiner Verheißung in Christus sakramental in kontingente, geschichtliche Formen menschlicher Beziehungen eingeht und sie für seine Zwecke benutzt. Ordination ist ein im Glauben vollzogenes Zeichen, daß die bezeichnete geistliche Beziehung gegenwärtig ist in, mit und durch die gesprochenen Worte, vollzogenen Handlungen und benutzten Formen.

44. c) Ordination ist eine Anerkennung der Gaben des Geistes im Ordinierten durch die Kirche und eine Verpflichtung der Kirche wie des Ordinanden gegenüber ihrer neuen Beziehung. Indem sie den neuen Amtsträger im Akt der Ordination annimmt, anerkennt die Gemeinde die Gaben dieses Amtsträgers und verpflichtet sich ihm gegenüber zur Verantwortlichkeit, für diese Gaben offen zu sein. Ebenso stellen die Ordinierten ihre Gaben der Kirche zur Verfügung und verpflichten sich, die Last und Chance der neuen Autorität und Verantwortung zu tragen. Gleichzeitig treten sie in eine kollegiale Beziehung zu anderen ordinierten Amtsträgern ein.

C. Bedingungen für die Ordination

45. Menschen werden auf verschiedene Weise zum ordinierten Amt berufen. Es gibt ein, persönliches Wissen um einen Ruf des Herrn, sich dem ordinierten Amt zu verpflichten. Dieser Ruf kann im persönlichen Gebet und in persönlichen Überlegungen erkannt werden wie auch durch Anregungen, Vorbild, Ermutigung und Leitung, die von der Familie, von Freunden, der Gemeinde, von Lehrern sowie von anderen kirchlicher. Autoritäten ausgehen. Dieser Ruf muß bestätigt werden durch die Anerkennung der — natürlich wie geistlich geschenkten — Begabungen und Gnadengaben der bestimmten Person durch die Kirche, die zur Amtsausübung notwendig sind. Gott kann zölibatär lebende wie verheiratete Menschen für das ordinierte Amt in Dienst nehmen.

46. Ordinierte Personen können hauptamtliche Amtsträger in dem Sinn sein, daß sie ihr Gehalt von der Kirche beziehen. Die Kirche kann aber auch Personen ordinieren, die in anderen Berufen oder Anstellungsverhältnissen bleiben.

47. Kandidaten für das ordinierte Amt benötigen eine angemessene Vorbereitung durch das Studium der Heiligen Schrift und Theologie, Gebet und Spiritualität und durch Vertrautheit mit den sozialen und menschlichen Gegebenheiten in der heutigen Welt. In einigen Fällen kann diese Vorbereitung eine andere Form als die eines längeren akademischen Studiums annehmen. Die Ausbildungszeit dient dazu, die Berufung des Kandidaten zu prüfen, zu fördern und zu bestätigen oder ihr Verständnis zu modifizieren.

48. Die Verpflichtung zum ordinierten Amt sollte gewöhnlich ohne Vorbehalt und Zeitbegrenzung vorgenommen werden. Eine Beurlaubung von diesem Dienst ist jedoch nicht unvereinbar mit der Ordination. Eine Wiederaufnahme des ordinierten Amtes erfordert die Zustimmung der Kirche, aber keine erneute Ordination. In Anerkennung des gottgegebenen Charismas des Amtes wird die Ordination für irgendeines der einzelnen ordinierten Ämter niemals wiederholt.

49. Die Anforderungen im Blick auf die Bedingungen für die Ordination in einer Kirche brauchen nicht als allgemeingültig angesehen und als Grund dafür genommen zu werden, die Ämter in anderen Kirchen nicht anzuerkennen.

50. Kirchen, die es ablehnen, Kandidaten für das ordinierte Amt in Betracht zu ziehen aufgrund einer Behinderung oder weil sie z. B. einer bestimmten Rasse oder soziologischen Gruppe angehören, sollten ihre Praxis neu überdenken. Diese Überprüfung ist heute besonders wichtig im Blick auf die Vielzahl der Experimente in neuen Formen des Amtes, mit denen die Kirchen sich an die moderne Welt wenden.

VI. Auf dem Weg zur gegenseitigen Anerkennung der ordinierten Ämter

51. Um auf dem Weg zur gegenseitigen Anerkennung der Ämter Fortschritte zu machen, sind bewußte Anstrengungen erforderlich. Alle Kirchen müssen die Formen des ordinierten Amtes und das Maß, in dem sie seinen ursprünglichen Intentionen treu sind, überprüfen. Die Kirchen müssen zu einer Erneuerung ihres Verständnisses und ihrer Praxis des ordinierten Amtes bereit sein.

52. Unter den Fragen, an denen besonders gearbeitet werden muß, wenn sich Kirchen auf die gegenseitige Anerkennung der Ämter zubewegen, ist die der apostolischen Sukzession von besonderer Bedeutung. Kirchen können in ökumenischen Gesprächen ihre jeweiligen ordinierten Ämter anerkennen, wenn sie sich gegenseitig gewiß sind in ihrer Absicht, das Amt von Wort und Sakrament weiterzugeben in Kontinuität mit der apostolischen Zeit. Der Akt der Weitergabe sollte in Übereinstimmung mit der apostolischen Tradition geschehen, die die Anrufung des Heiligen Geistes und die Handauflegung einschließt.

53. Um gegenseitige Anerkennung zu erreichen, sind von verschiedenen Kirchen verschiedene Schritte erforderlich. Zum Beispiel:

a) Kirchen, die die bischöfliche Sukzession bewahrt haben, werden gebeten, sowohl den apostolischen Inhalt des ordinierten Amtes in Kirchen anzuerkennen, die eine solche Sukzession nicht bewahrt haben, als auch die Existenz eines Amtes der episkopé in verschiedenen Formen in diesen Kirchen.

b) Kirchen ohne bischöfliche Sukzession, die in treuer Kontinuität zum apostolischen Glauben und seiner Sendung leben, haben ein Amt des Wortes und der Sakramente, wie es durch den Glauben, die Praxis und das Leben dieser Kirchen klar bezeugt wird. Diese Kirchen werden gebeten, zu erkennen, daß die Kontinuität mit der Kirche der Apostel durch aufeinanderfolgende Handauflegungen der Bischöfe tiefen Ausdruck findet und daß, obwohl ihnen vielleicht die Kontinuität der apostolischen Tradition nicht fehlen mag, dieses Zeichen jene Kontinuität stärken und vertiefen wird. Sie müssen vielleicht das Zeichen der bischöflichen Sukzession wieder neu entdecken.

54. Einige Kirchen ordinieren Männer und Frauen, andere ordinieren nur Männer. Unterschiede in dieser Frage werfen Hindernisse für die gegenseitige Anerkennung der Ämter auf. Aber diese Hindernisse dürfen nicht als unüberwindliche Hürden für weitere Bemühungen um gegenseitige Anerkennung angesehen werden. Offenheit füreinander trägt die Möglichkeit in sich, daß der Geist sehr wohl zu einer Kirche durch die Einsichten einer anderen sprechen kann. Ökumenische Erwägungen sollten daher die Erörterung dieser Frage fördern und nicht hemmen.

55. Die gegenseitige Anerkennung der Kirchen und ihrer Ämter schließt eine Entscheidung durch die zuständigen Autoritäten und einen liturgischen Akt ein, von dem an die Einheit öffentlich gegeben sein würde. Verschiedene Formen eines solchen öffentlichen Aktes sind vorgeschlagen worden: gegenseitige Handauflegung, eucharistische Konzelebration, feierlicher Gottesdienst ohne einen besonderen Ritus der Anerkennung, Verlesen einer Unionsurkunde während einer Feier. Keine bestimmte liturgische Form würde unbedingt erforderlich sein, aber in jedem Falle wäre es notwendig, die Verwirklichung einer solchen gegenseitigen Anerkennung öffentlich zu verkünden. Die gemeinsame Feier der Eucharistie wäre zweifellos der Ort für einen solchen Akt.

Anhang

A. DAS MATERIAL

Um Einzelpersonen und Gruppen das Verständnis und die Verwendung des in diesem Text enthaltenen Materials zu erleichtern, stehen drei Studien in Englisch zur Verfügung, von denen die ersten beiden auch in Deutsch erscheinen:

(1) Zusammenwachsen in Taufe, Eucharistie und Amt (Lembeck, Frankfurt/M., 1983) ist eine von William H. Lazareth verfaßte Diskussionsanleitung für Laienstudiengruppen. Der Band ist kurz gefaßt, preiswert, lebendig geschrieben und richtet sich vor allem an den Normalleser. Sein praktisches Ziel ist, einer mِglichst breiten Beteiligung des Volkes Gottes an einem ernsthaften Nachdenken über einige entscheidende Elemente des gemeinsamen apostolischen Glaubens zu dienen.

(2) Ökumenische Perspektiven von Taufe, Eucharistie und Amt (Lembeck, Frankfurt/M., und Verlag Bonifatius-Druckerei, Paderborn, 1983) ist ein von Frère Max Thurian herausgegebener Band mit theologischen Aufsätzen, der Dogmatikern und Liturgikern eine ausführlichere Behandlung der betreffenden Sachfragen an die Hand gibt. Die Verfasser geben darin eine Begründung für viele der schwierigen Entscheidungen, die im Rahmen des Konvergenztextes getroffen wurden. Dieser Überblick wird Kirchen, theologischen Fakultäten, ökumenischen Instituten, weltweiten christlichen Gemeinschaften, Nationalen Christenräten und anderen Gruppen dabei helfen, ihre Studienergebnisse wo immer möglich über konfessionelle, nationale und kulturelle Grenzen hinweg miteinander zu teilen und zu vergleichen.

(3) Taufe und Eucharistie: Ökumenische Konvergenz in der Feier (Genf, ORK, 1983) wird von Frère Max Thurian herausgegeben und bietet Priestern und Pfarren geeignete Quellen und anpassungsfähige Modelle für Gottesdienst und Zeugnis im täglichen Leben der Christen. Anhand einer großen Vielfalt von Ordnungen wird die gegenwärtige liturgische Erneuerung unter den Kirchen geschildert, darunter auch zwei neue ökumenische Liturgien für Taufe und Eucharistie, die alle im Konsensustext empfohlenen Elemente enthalten.

Im Rahmen von Glauben und Kirchenverfassung ist in der gleichen allgemein gehaltenen Reihe auch die Veröffentlichung weiterer Schriften für Gottesdienst, Katechese und Andacht geplant. Damit soll dort geholfen werden, wo Kirchen auf dem Weg zur christlichen Einheit gemeinsam versuchen, ihren Gottesdienst und ihre Spiritualität zu vertiefen, ihre Lehre zu lehren, ihr Zeugnis zu stärken und sich für Gerechtigkeit und Dienst einzusetzen.

B. DIE VERWENDUNG DES MATERIALS

Das Material kann sowohl für den Gottesdienst als auch für Studienarbeiten herangezogen werden. Damit verbindet sich die Hoffnung, dass sich die Kirchen gemeinsam darum bemühen werden, ihren Gottesdienst und ihre Spiritualität zu vertiefen, ihre Lehre zu lehren, ihr Zeugnis zu stärken und sich für Gerechtigkeit und Dienst zu engagieren, während sie auf dem Weg zur christlichen Einheit voranschreiten.

Verwendung in ökumenischen Kontexten

in Unionsverhandlungen

in bilateralen Gesprächen

in Kirchenräten - nationalen, regionalen und lokalen

in anderen ökumenischen Vereinigungen

Verwendung in den Kirchen

in der theologischen Ausbildung

in Ausschüssen für kirchliche Beziehungen

in kirchlichen Versammlungen

in Räten, Synoden und Pfarrkonferenzen

in Laien-Studiengruppen

in regulären gottesdienstlichen Handlungen

Wann immer möglich, sollten alle Kirchen ihre Studienergebnisse über konfessionelle, nationale und kulturelle Grenzen hinweg austauschen und vergleichen.
 

REDE DE RECURSOS
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Nada pode nos separar do amor de Deus: nem a morte nem a vida; nem o presente nem o futuro.
Romanos 8.38
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