Auf den Hund gekommen
Früher habe ich darüber gelächelt, wenn ein älterer, oft allein lebender Mensch seinen Hund fast wie seinesgleichen behandelte, wenn er (oder sie) bei jeder Gelegenheit von seinem (bzw. ihrem) intelligenten Hündchen schwärmte und ihn auf jede Weise umhegte und pflegte.
Heute lächle ich nicht mehr darüber. Erstens haben wir selber solch einen kleinen Herzensbrecher im Haus , eine sem- terra, die vor Jahren eines guten Tages zu uns gelaufen kam und dann einfach nicht mehr wegging. Sie hat seitdem ihre Stellung im Hause ganz schön ausgebaut Heute kommt sie pünktlich um 5 Uhr nachmittags zu mir ins Schreibzimmer, drängtsich zwischen meinen Rücken und die Stuhllehne und drückt mich ganz unzeremoniell vom Stuhl. Ich soll mit ihr spazieren gehn, heisst das. Nun, das tut Herrchen gut, oft geht Frauchen auch mit, und so hat alles seine Ordnung. Und intelligent ist das kleine Biest! Ich könnte seitenlang davon erzählen....was sie neulich wieder fertiggekriegt hat... doch sagte ich nicht eben...? Ja, schon gut, schon gut!
Nun, warum sollte ein Mensch nicht ein Geschöpf ins Herz schliessen, das ihn offenbar gerne hat, das sich unbändig freuen kann, wenn es ihn wiedersieht, das ein wenig die innere Einsamkeit und Leere kompensiert, die alte und junge Menschen gleichsam befallen können?. Unsere Welt ist voller “carentes”, voller junger und alter Menschen, die Hunger nach ein bisschen Zuwendung und Liebe haben – und die keinen Menschen haben, der diese Karenz, diesen schmerzenden Mangel ausfüllt.
Ja, so kommt einer dann auf den Hund. Das wäre nicht schlimm, wenn er (oder sie) dadurch nicht vom Menschen wegkäme. Jesus hat einmal ein Sprichwort zitiert (als er den Glauben einer Frau auf die Probe stellen wollte): “Es ist nicht gut, dass man den Kindern das Brot nehme und werfe es vor die Hunde”. Und die Frau hat dann geantwortet: “Ja, aber auch die Hündlein essen von den Brosamen, die von ihrer Herren Tische fallen.” Ich glaube, beide Worte sind noch heute gültig, ganz abgesehen von dem tieferen Sinn der Geschichte.
Der Hund darf nicht an die Stelle des Menschen treten. Es gibt schon unzählige junge Paare, die sagen: Kinder wollen wir keine. Die stellen sichspätestens mit 15 Jahren doch gegen einen und machen einem das Leben schwer. Dann lieber einen Hund. Bei dem kann man sich darauf verlassen, dass er sich nicht gegen einen wendet, dass er anhänglich und treu bleibt.
Ein Hund kann und darf uns ein liebes Mitgeschöpf sein. Doch Mensch ist Mensch und Tier ist Tier. Wir müssen uns wirklich überlegen, ob unser Hund nicht einem Menschen den Platz streitig macht, ob wir die Liebesbedürftigkeit unserer Kinder, unserer alten Eltern, eines einsamen Nachbarn nicht übersehen, weil wir in einer Weise “auf den Hund gekommen” sind, die uns den Blick für die Not der Menschen trübt.
Und die Undankbarkeit der Menschen, ihre Lieblosigkeit?... Nun, dazu kam Jesus in die Welt, dass es ihnen nicht gehe wie Lazarus, der sich von den Brocken vom Tische des Reichen nähren wolte “und niemand gab sie ihm”, und zu dem die Hunde kamen,”und leckten seine Schwären”. Bei Jesus Christus lernt man dieses schwierige Wesen Mensch zu lieben – trotz allem.
Zum Schluss ein Beispiel, wie man einen Hund in den Dienst dieser Menschenliebe stellen kann: Ein altes Ehepaar geht ins Altenheim und darf ( o Freude!) seinen Hund mitnehmen. Von Stund an freunden sich die andern Alten mit dem Tier an, der Hund bringt Menschen zusammen, die vorher aneinander vorbeigingen. Welch ein Beispiel für unsere kleine verwöhnte Herzensbrecherin! Man müsste es ihr ins Ohr sagen können!