Gedanken über den Gottesacker
Ja, so hat man früher den Friedhof genannt: Gottesacker. Gottes Acker. Es war der Acker, auf dem Gott Menschen gesät hatte, die reif waren und die nun wie Samenkörner darauf warteten, aufzugehen und endgültige Frucht zu bringen.
Ein schönes, hoffnungsvolles Bild. Gerade in den anstehenden Ostertagen sollten wir uns fragen, welch ein Bild wir heute von der Ruhestätte unserer Toten haben. Ist sie für uns noch ein Saatfeld, eine Stätte der Hoffnung – oder ist sie einfach eine Gedächtnisstätte der Vergänglichkeit, ein Ort, an dem der Mensch nicht wie ein Samenkorn gesät, sondern wie Müll verscharrt, entsorgt, aus dem Weg geschafft wird?
Von dem Dichter Goethe stammt das Wort: “Wer lange lebt, der überlebt viele”. Es ist wahr. Wer erst einmal die Achtzig überschritten hat, der erfährt , dass die Schar seiner Bekannten, Verwandten und Freunde, die sich auf dem Friedhof befinden, Jahr für Jahr schneller wächst. Da liegt der Gedanke sehr nahe, dass man an den eigenen Tod denkt, an die letzte Lagerstätte, die man uns bereiten wird. Ja, und dann wird die Sache mit dem Gottesacker eine ganz persönliche Angelegenheit, eine Angelegenheit, die eigentlich nur drei Reaktionen ermöglicht: entweder dickfellig so tun, als ob der Tod etwas alltägliches wäre, sich vordem Sterben fürchten, oder das Lebensende als Übergang ansehen, dem man in Christus, dem Auferstandenen, hoffnungsfroh entgegensehen kann.
“Koimetéria” nannten die alten Griechen ihre Friedhöfe. Schlafstätten. Unser portugiesisches Wort cemitério ist davon abgeleitet. Auch das Neue Testament spricht von den Toten als von “Entschlafenen”. Wer einschläft, tut es in der Hofffnung, dass er wieder wach wird. Auch ein tröstliches Bild. Vor allem, da wir wissen: JesusChristus ist wieder wach geworden, nachdem er die Todesnacht überwunden hatte. Er hat unsere Friedhöfe damit verwandelt. Wir brauchen keine zerbrochenen Säulen mehr als Symbole der Vergänglichkeit auf unseren Gräbern zu errichten, wir können sie mit dem Kreuze Jesu als Stätten der Hoffnung kennzeichnen. Wir können das Schweigen der Friedhöfe mit Worten der Hoffnung und des Lebens brechen, sodass die Gräberreden, auch für Ungläubige, die die Botschaft der Auferstehung nur vom Hörensagen kennen, sie aber noch niemals für sich selber nachvollzogen haben.
Es lohnt sich, einmal einen alten Friedhof zu durchwandern, ihn als Gottesacker zu erleben, der uns ganz persönlich etwas zu sagen hat. Manche der alten Inschriften haben es in sich. RIP – Requiescat in Pace, Ruhe in Frieden, steht noch auf den ganz alten Gräbern. Bibelworte und Glaubenszeugnisse der Alten, die uns in unserer hektischen und wirren Zeit etwas zu sagen haben, was man vielleicht nur auf dem Gotttesacker verstehen kann.