Unser Name und unsere Identität
In meinen Heimatbergen in der Serra do Mar sagte man von jeher den Familiennamen vor dem Rufnamen: Der Bauers Karl, der Egers Peter, die Truppels Karlin. Klar, ich war der Weingärtners Lindolf. Man war wie eingebettet in eine grosse Familiengemeinschaft. Auch die Pastoren waren unter ihrem Familiennamen bekannt. Sie unterschrieben Artikel und Briefe mit „Pastor Stör“, „Pastor Dübbers“, „Präses Dohms“. Der Vorname war für die engen Freunde und die nahe Verwandtschaft reserviert.
Wenn man heute in eine Gemeinde kommt und nach dem Namen des Pastors fragt, bekommt man meist eine Antwort wie: „Pastor Rubens“, „Pastor Sérgio“, „Pastora Lígia“. Der Nachname? Nein, den weiss man nicht. Man hat ihn einmal gehört, doch gleich wieder vergessen.
Da komme ich in eine Pastorenversammlung. und so ein junger Pe- aga-pista. (früher sagte man „Herr Vikar“!) kommt freundlich auf mich zu und sagt: „Oi,Lindolfo, que bom que você veio!“. Ich bin gut 60 Jahre älter als der junge Mann – doch, seltsam, ich bin ihm nicht einmal böse wegen seiner Anrede. Es klingt irgendwie menschlicher und einladender als unsere alte formelle und „exklusive“ Weise, miteinander umzugehen.
Nun, es hat alles seine zwei Seiten. Wer nur noch „Marita“ oder „Carlos“ oder“Valdir“ heissen will und den „Müller“ oder „Silva“ oder „Schmidt“. bewusst unterschlägt, der könnte damit sagen wollen: „Meine Eltern und meine Herkunft interessieren mich nicht mehr. Mein Leben fängt mit mir an. Die ganze Welt fängt mit mir an. Meine Familientradition ist von gestern. Was von gestern ist, ist vorbei.“ Ja, und das wäre dann ein fataler Irrtum.UnserLeben fängt eben nicht mit uns an. Deswegen heisst es in den10 Geboten: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren“. So hat unser Familenname etwas mit dem vierten Gebot zu tun. Und es könnte ein Zeichen von gefährlichem Individualismus sein, wenn wir denken, wir könnten aus unserer Familie einfach aussteigen - meinend, wir seien von uns aus, was wir sind. So haben beide Namen ihr Recht und ihre Bedeutung, und wir sollten beide in ihrer jeweiligen Perspektive ernst nehmen und ehren.
Ich denke, dass sowohl unser Familienname wie auch unser Vorname eine provisorische Sache sind. Bevor wir einen Namen hatten, waren wir doch schon Menschen. Gott nannte den ersten Menschen „Adam“ – das ist „Mensch.“ Und die erste Fraunannte er „Eva“, das ist:“Lebensspenderin“. Erst später machten sie sich selbst einen Namen, im Guten wie im Bösen. Sie bauten dann bald himmelhohe Türme, um sich einen Namen zu machen, wie die Leute von Babel. Aber man hat den Eindruck, dass das nicht der Name ist, mit dem Gott uns rufen möchte.
Was bedeutet dann das Wort aus Jesaja 43.1: „Fürchte dich nicht, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein“? Mit welchem Namen ruft uns Gott? Darin müsste ja unser wahres Wesen zum Ausdruck kommen, unsere wahre Identität. Offenbarung 2.17 steht, dass Gott uns mit einem neuen Namen benennen wird, den nur Er selber und der, der ihn empfängt, kennt. Eine geheimnisvolle und hoffnungsfrohe Sache. Endlich werden wir unsere wahre Identität haben. Wir werden sie direkt aus Gottes Händen empfangen. In unserer Taufe ist dieses Geheimnis ja schon vorgebildet: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!“
In der Stadt Antiochien in Syrien wurden die Nachfolger Jesu zum erstenmal Christen genannt. Menschen, die den Namen und gewissermassen die Identität Jesu Christi haben. Mit diesem Namen will Gott uns anreden. Er will uns in dem Bilde seines Sohnes Jesus Christus sehen und in Christus uns seine Söhne und Töchter nennen, was wir dann ja auch wirklich sind. Gott hat uns dann unsere wahre Identität gegeben.